Das Hexenbuch von Salem
Knirschen, mit dem die Abdeckung unter dem Gewicht des Hockers in sich zusammenbrach, und wie angenehm still es wurde, als die Musik langsam verstummte. Es war eine Vorstellung, die ein zufriedenes Lächeln auf ihre Lippen zauberte.
»Connie, hallihallo«, keuchte Janine Silva, hievte ihr ganzes Gewicht auf den Barhocker neben Connie und ließ die Tasche vor sich auf den Boden fallen. »Tut mir so leid, dass ich mich verspätet habe. Was trinken Sie denn? Bourbon-Cocktail?« Sie hielt Abner hinter der Theke zwei Finger hoch. Er nickte und drehte sich weg. Janine stützte sich auf
einen Ellbogen und setzte eine leuchtend lila Lesebrille auf ihre Nasenspitze.
»So«, sagte sie, und Connie, die ihr immer noch nur ihr Profil zeigte, nahm noch einen langen Schluck ihres Cocktails. Connie griff in die Tasche ihrer Jeans, zog das Schlüsselchen heraus, das sie in Grannas Haus gefunden hatte, und legte es auf den Tisch. Dann schaute sie ihrer Professorin ins Gesicht.
»Gleich am ersten Tag, als ich das Haus meiner Großmutter bezogen habe, fand ich diesen Schlüssel, der in kein Schloss passt«, sagte sie. Janine schaute sie verblüfft an. »Und in dem Schlüssel fand ich einen Zettel mit einem Namen. Deliverance Dane.« Sie hob einen noch ganzen Fingernagel an ihre Lippen und kaute daran, während Abner zwei schwere Gläser mit Cocktail, an denen dicke Perlen Feuchtigkeit hingen, vor den beiden Frauen auf die Theke stellte und Janine ihm wortlos ein paar Dollarscheine hinüberschob.
»Wie sich herausstellte«, fuhr Connie fort und zog den neuen Cocktail zu sich heran, »war Deliverance Dane eine bis dato unbekannte Hexe aus Salem. Im Gegensatz zu allen anderen Opfern des damaligen Hexenwahns war sie tatsächlich eine Heilerin oder weise Frau. Und sie hat ein Buch mit Aufzeichnungen zu ihrer Arbeit hinterlassen.«
»Aber Connie! Das ist wundervoll!«, rief Janine aus. Ihre Augen waren weit aufgerissen. »Was für ein toller Coup! Manche Leute suchen ihr ganzes Leben lang nach so einer Primärquelle und finden keine! Und was für ein sensationelles Betätigungsfeld für die Geschichte der Frauen …« Ihre Stimme erstarb, als sie sah, wie Connie das Gesicht verzog.
»Ich weiß!«, rief Connie, und ihre Stimme stockte. »Aber jetzt droht Chilton damit, dass er mir das Stipendium streicht, wenn ich das Buch nicht finde! Und dann sind auch noch diese Vandalen zu meinem Haus gekommen.« Sie holte tief
Luft, weil sie drohte, einen Schluckauf zu bekommen, und versuchte, die Tränen zu unterdrücken, die ihr in die Augen stiegen. »Ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.«
Janine presste besorgt die Lippen aufeinander und tätschelte beruhigend Connies Hände. »Okay, okay, eins nach dem anderen. Zuallererst mal das«, sagte sie. »Ich sage das nur zu Ihnen, weil wir Freunde sind, und ich erwarte, dass es auch unter uns bleibt.«
Connie nickte und wischte die Tränen weg.
Ihre Mentorin beugte sich näher zu ihr und senkte die Stimme. »Manning Chilton …«, begann sie, zögerte dann, trank einen Schluck von ihrem Cocktail und sammelte sich. »Natürlich ist Manning Chilton ein herausragender Gelehrter, und seine Stellung am Institut ist unangreifbar.«
Connie zog die Brauen über ihren blassblauen Augen zusammen. Sollte Chiltons Ruf in irgendeiner Weise einen Knacks bekommen haben, so konnte ihre gesamte berufliche Zukunft dadurch beeinträchtigt sein. Janine räusperte sich noch einmal und schaute sich verstohlen im schummrigen Inneren der Bar um, bevor sie ihren Barhocker noch näher an Connies Knie heranrückte. »Es ist einfach nur so, dass seine jüngsten Forschungen … na ja, die haben mittlerweile einen etwas … wunderlichen Charakter angenommen.«
»Was meinen Sie damit?«, fragte Connie verwirrt. Sie wusste, dass Chilton für seine Grundsatzrede auf der Jahresversammlung der Colonial Association im Herbst etwas Bedeutsames plante, hatte jedoch keine Ahnung, worum es dabei genau ging.
»Lange Zeit forschte er über den Gebrauch alchemistischer Symbolik in der Jungschen Psychoanalyse«, sagte Janine. Ihre Stimme war wegen der lauten Musik und dem Gemurmel der Studenten kaum zu hören. »Die Alchemie interessierte ihn deshalb, weil er darin eine Interpretationsmöglichkeit
der Welt sah, die sich auf Ähnlichkeit begründet statt auf einer wissenschaftlichen Methode. Er dachte, die Sprache der Alchemie könne eine psychoanalytische Interpretation prämodernen magischen Denkens und seiner Rituale liefern. Aber
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