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Das Hexenkreuz

Das Hexenkreuz

Titel: Das Hexenkreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Muenzer
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blickte ihr bockig hinterher.
    Serafina
näherte sich dem Waldrand. Erneut hatte sie eine unbestimmte Furcht erfasst.
Seit sie den beiden Räubern begegnet waren, hatte sich in Serafina die
Erkenntnis verdichtet, dass diese verhängnisvolle Begegnung nur der Auftakt für
dunklere Ereignisse war. Woher waren diese beiden Galgenvögel in dieser
abgelegenen Gegend so schnell aufgetaucht? Hatte es sich bei ihnen wirklich nur
um simple Straßenräuber gehandelt? Sie hatten eine Börse voller Gold besessen.
Gestohlen oder gar eine Belohnung? Wofür? Je länger sie darüber nachdachte,
desto merkwürdiger kam ihr das Ganze vor. Und dann war da dieser beängstigende
Traum gewesen. Anfänglich hatte sie sich einzureden versucht, dass es sich um
einen gewöhnlichen Alptraum gehandelt hatte. Tatsächlich aber hatte sie den
Traum wie einen Griff nach ihrem Geist empfunden. Wandten sich ihre eigenen
Fähigkeiten gegen sie, weil sie zu lange versucht hatte, ihre Gabe zu
unterdrücken? Nein. Sie schüttelte den Kopf. Das, was ihr widerfahren war,
hatte nichts mit ihr selbst zu tun. Ihre Seele hatte es als etwas Fremdes
erkannt. Sie nahm ihre Kappe ab. Ihre Wunde pochte und vorsichtig befühlte sie
den Verband. Oder ob es vielleicht daran liegen mochte? Kopfverletzungen wirkten
sich nicht selten trügerisch auf den Geist aus. Serafina blickte sich um.
Schönheit und Fülle der Natur umgaben sie. Sie ließ sich ins Gras sinken und
sog den berauschenden Duft des frischen Grüns ein. Hier in der Wiese wirkte
alles sehr still, ein kleiner, in sich geschlossener Kosmos. Sie beobachtete eine
Ameise, die an einem Löwenzahn emporkletterte und in der gelben Blüte scheinbar
ziellos umherirrte. Ein winziges unbedarftes Leben, dem die Kümmernisse der
Menschen nichts bedeuteten. Serafina schloss die Lider. Sie wollte versuchen,
den Traum der vergangenen Nacht zu durchdringen. Mit all ihren Sinnen nahm sie
Kontakt auf und für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie zu erkennen, wie
sich die Welt verdunkelte. Jenseits ihres Denkens lag etwas Unaussprechliches
verborgen. Ihr Tun zehrte an ihren Kräften. Erschöpft hielt sie inne und setzte
sich auf. Trotz der warmen Sonne zitterte Serafina und nur langsam zog sich die
Kälte aus ihr zurück Sie hatte eine wichtige Erkenntnis gewonnen. Nicht sie
stellte das Ziel dieser dämonischen Kräfte dar. Sie war nur die Brücke, die sie
versuchten zu überqueren: Sie begehrten Emilia!
    Genau aus
diesem Grund mussten sie so rasch wie möglich Rom erreichen. Sie konnte nicht
sagen, woher sie ihr Wissen bezog, es war Teil ihrer Gabe. Allein Emilias
Zwillingsbruder würde sie vor der fremden Macht beschützen können. Serafina beschloss,
Emilia nichts von ihren Befürchtungen zu sagen, solange sie selbst im Trüben
stocherte.
    Emilia kam
herangeschlendert. Die Pferde trotteten mit hängenden Zügeln hinter ihr her.
„Was machst du? Ich dachte, du wolltest Kräuter pflücken?“ Emilia ließ sich
neben ihrer Freundin ins Gras fallen. Sie rupfte einen Halm aus und kaute
ausgiebig auf ihm herum. Dann sagte sie: „Es tut mir leid. Ich wollte dich
nicht verärgern, wirklich.“
    Serafina
musterte ihre Freundin unter gesenkten Wimpern hervor. „Willst du die Wahrheit
hören?“, hob sie an.
    „Natürlich!“
    „Gut. Du
gibst mir das Gefühl, eine an dein Bein gefesselte Bleikugel zu sein, die dich
bremsen will. Vergiss nicht, wir haben unser Zuhause bei Nacht und Nebel
verlassen. Du hast deinen Bruder bestohlen, ich meine Mutter. Wir haben sogar
getötet, um bis hierher zu gelangen! Und anstatt alles daran zu setzen, unsere
Reise fortzusetzen, setzt du unser Wohl leichtsinnig aufs Spiel, nur um ein
paar Zigeuner bei ihren Kunststückchen zu bewundern.“
    Emilia
zeigte ehrliche Betretenheit. „Du hast Recht. Ich weiß das alles. Und trotzdem
komme ich nicht dagegen an. Es ist wie ein Rausch, der mich anstachelt, so viel
wie möglich von diesem Leben auszukosten. Täglich wächst in mir die Angst, dass
alles viel zu schnell vorbei sein könnte. Ich weiß selbst nicht, woher diese
Furcht so plötzlich gekommen ist. Nachts, in meinen Träumen, höre ich eine
Stimme, die mir zuflüstert, dass es für mich kein Entrinnen gibt. Was geschieht
mit mir, Serafina?“
    „Ich bin mir
nicht sicher.“ Serafina legte wie schützend den Arm um Emilia. Dabei hatte sie
Mühe, sich ihren Schreck über Emilias Worte nicht anmerken zu lassen. Also
erging es Emilia ähnlich wie ihr. Welche Teufelei war hier am Werke?
    Zunächst

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