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Das Hiroshima-Tor

Titel: Das Hiroshima-Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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berichtet, denn davon würde sie ohnehin bald aus den Medien erfahren.
    Der dreißigjährige, knochige und schmalschultrige Scott lenkte den Wagen auf der Ringstraße M 25 zur Autobahn M 11, die nach
     Cambridge führte.
    »Unterhielt Ihr Mann Verbindungen zur Sowjetunion oder nach Russland?«, fragte Baumgarten.
    »Selbstverständlich. Das gilt wahrscheinlich für alle Historiker. Aber was hat das hiermit zu tun? Und wie ist es möglich,
     dass man mir nicht sofort von dem Mordverdacht berichtet hat?«
    »Das habe ich Ihnen bereits gesagt. Die Polizei drüben wusste nichts davon.«
    »Warum arbeiten Sie nicht mit ihr zusammen?«
    »Das ist eine sensible Angelegenheit. Wenn Sie sich genau zu erinnern versuchen, fällt Ihnen dann irgendetwas Besonderes oder
     Abweichendes am Verhalten Ihres Mannes in der letzten Zeit auf?«
    Im bleichen Licht der Straßenlampen sah Frau Vaucher-Langston nicht mehr annähernd so kultiviert aus wie gerade noch auf dem
     Flughafen. »Jacob hat mich in Buenos Aires angerufen, und er klang irgendwie   ... gestresst. Angespannt. Er wollte zu unserem Landhaus fahren. Am nächsten Morgen kam die Botschaftssekretärin und informierte
     mich über den Brand.«
    |184| Baumgarten beobachtete ihre nonverbale Kommunikation, um herauszufinden, ob die Frau die Wahrheit sagte. Er achtete von Anfang
     an auf die Körpersprache eines Klienten, wenn dieser von Dingen redete, über deren Wahrheitsgehalt Baumgarten im Bilde war.
     Weil er auch jetzt das Blinzeln der Frau, ihre Körperhaltung und den Gesichtsausdruck verfolgt hatte, als sie die Wahrheit
     sagte, war es ihm leicht möglich, eventuelle Veränderungen zu analysieren, die durch den Anstieg des Stressniveaus beim Lügen
     entstehen konnten.
    »Haben Sie eine Ahnung, was die Veränderung im Verhalten Ihres Mannes bewirkt haben könnte?«
    »Nein. Aber er war einfach nicht er selbst.«
    Sie spielte mit den Knöpfen ihrer Kostümjacke, doch nach Baumgartens Einschätzung war diese Nervosität eher auf die Umstände
     als auf eine Lüge zurückzuführen.
    »Haben Sie das der Botschaftssekretärin gesagt?«
    »Ich denke doch. Aber ich erinnere mich nicht. In meinem Kopf herrscht gerade dichter Nebel. Wer könnte meinen Mann ermordet
     haben?«
    »Wir wissen es nicht. Aber die Explosion zeigt, dass wir es hier womöglich mit einer sehr gefährlichen Angelegenheit zu tun
     haben.«
    »Mein Mann kann mit solchen Dingen nichts zu tun gehabt haben. Sie haben ihn nicht gekannt. Allein der Gedanke ist lächerlich!«

|185| 26
    Dick Novak saß in einem Chrysler
Voyager
, der sich der Fitzwilliam Road in Cambridge näherte. Es ging auf zehn Uhr am Abend zu, die Straße war menschenleer. Auf dem
     Schoß hatte Novak einen Laptop, mit dessen Hilfe er Kontakt in die Vereinigten Staaten hielt. Frau Vaucher-Langston würde
     bald unter Baumgartens Obhut vom Flughafen kommen.
    Irgendetwas an Baumgarten ging Novak auf die Nerven. Vielleicht war es seine Habgier. Der Mann hatte im Zuge des Krieges gegen
     den Terrorismus dank MilCorp mehr kassiert, als er in zehn Jahren als gewöhnlicher Psycho-Pfuscher verdient hätte, obwohl
     schon das kein schlecht bezahlter Job war.
    Im Wagen herrschte angespannte, drückende Stimmung. Der britische MilCorp-Mitarbeiter saß am Steuer, neben ihm saß ein amerikanischer
     Kollege mit verbundenem Daumen. Auch er hatte sich die Wunde durch einen Glassplitter zugezogen. David Perry von DARPA saß
     neben Novak. Wegen der Tragödie von Cambridge war er ganz blass.
    »Wir haben bei DARPA ein Projekt, bei dem Bienen für das Erkennen von Sprengstoffen ausgebildet werden«, sagte Perry leise
     und tippte auf dem Gerät herum, das aussah wie ein Palmbook und mit dem er seinen persönlichen E-Mail -Verkehr erledigte.
    Novak sah, wie tief sein Kollege erschüttert war. Er sah auch, wie unfähig Perry war, mit dieser Erschütterung umzugehen.
     Der Mann widmete sein Leben der Wissenschaft und der Technik, er war Naturgesetze und exakte Mathematik gewohnt – nicht das
     Handeln menschlicher Wesen.
    |186| Aber gerade infolge menschlichen Handelns waren in dem Van jetzt Plätze frei, und im Kofferraum standen Spezialkoffer mit
     den Überresten der bei der Explosion ums Leben gekommenen Männer. Sie waren für die Heimreise vorgesehen. Die Angehörigen
     würden nie erfahren, was die Verstorbenen im Moment ihres Todes getan hatten.
    Für ein Unternehmen wie MilCorp war der Verlust eines Mitarbeiters ein gewaltiger Rückschlag. Hin und wieder

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