Das Hiroshima-Tor
kam es jedoch
dazu, und für diesen Fall wurden Versicherungen abgeschlossen.
Novak wusste, dass auch er bei einer Explosion ums Leben kommen konnte – hier oder in Bagdad oder in Kabul ... Für wen würde er in so einem Fall sterben? Für MilCorp? Oder für sein Vaterland?
»Wie kann dieser Akku hier so leer sein?« Aggressiv drehte Perry sein Palmbook in den Händen. »Ich will meiner Mutter eine
Mail schicken, dass ich okay bin.«
»Du kennst die Regeln, was den persönlichen Nachrichtenverkehr betrifft«, sagte Novak.
»Ich benutze eine 35 6-Bit -Verschlüsselung und kann dir versichern, dass die nicht mal der Herrgott im Himmel knacken könnte – wenn es ihm überhaupt
gelingen würde, sie aus dem Äther zu fischen«, sagte Perry aufgebracht.
»Regeln sind Regeln. Weißt du übrigens, Dave, was der sicherste Weg ist, eine Nachricht von A nach B zu schicken?«, fragte
Novak.
»Hängt davon ab, was für ein Endgerät man benutzen will. Die Quantenverschlüsselung ist ...«
»Ich weiß nicht, ob ihr bei DARPA das absolut überlegendste Endgerät überhaupt kennt. Ihm geht nie der Strom aus, es ist leicht
und klein ...«
Novak grub in seiner Tasche und hielt gleich darauf einen abgekauten Bleistiftstummel zwischen den Fingern. »Hier, Dave. Das
perfekte Endgerät. Du kannst damit eine Postkarte schreiben, eine Marke aufkleben und das Ganze in den nächsten Briefkasten |187| stecken. Ein paar Tage später bekommt der Empfänger deine Nachricht, ohne dass ihr Inhalt in die Kennwortfahndung der NS A-Supercomputer gerät. Inzwischen haben bedauerlich viele Terroristen und Kriminelle die Regel
less is more
gelernt. Für komplizierte Probleme muss man einfache Lösungen suchen. Nicht umgekehrt.«
»Du machst dich über die Technik lustig, obwohl du total von ihr abhängig bist«, schnaubte Perry.
Novak klappte den Laptop auf seinem Schoß auf und las eine Nachricht, die das Entschlüsselungsprogramm soeben dekodiert hatte.
»Irons befiehlt, die konfiszierten Unterlagen durchzugehen und dann mitzuteilen, was wir darin gefunden haben. Wenn Frau Vaucher-Langston
kommt, bringen wir sie zur Polizei, damit sie etwas über die Ermittlungen erfährt – und wir auch.«
Perry nahm eine Tasche aus dem Fußraum, die wie eine gewöhnliche Aktentasche aussah, aber feuerfest und bruchsicher war. Er
legte den Daumen auf die Fingerabdruck-Erkennung, und das Schloss sprang auf. Hätte man versucht, die Tasche mit Gewalt zu
öffnen, wäre in ihrem Innern eine Tintenkapsel explodiert und hätte den gesamten Inhalt unleserlich gemacht.
Die Tasche enthielt den Teil von Professor Vaucher-Langstons Archiv, der am meisten versprach. Im Licht der schwachen Innenbeleuchtung
nahm Perry einen Stoß Blätter heraus und reichte ihn Novak. Dann blätterten sie beide in Kopien von Briefen, die der Professor
erhalten oder verschickt hatte, von Artikelentwürfen und anderem Material, auf der Suche nach etwas, das ihnen weiterhelfen
würde.
Kim Jørgensen saß in der Fitzwilliam Road in Cambridge in seinem Auto. Er behielt den Eingang von Vaucher-Langstons Haus im
Auge und spielte mit seinem Ring.
Vorläufig war die Operation dieses Abends glatt gegangen. Es hatte sich als unproblematisch erwiesen, den Sprengsatz ins Trinity
College zu bringen, denn es hatte keine ernsthafte Durchgangskontrolle |188| gegeben, sah man von dem Beagle eines Aufsehers ab.
Überrascht war er allerdings von der Tatsache, dass bei der Explosion so viele Menschen ums Leben gekommen und verletzt worden
waren. Die Anzahl der Todesopfer würde dazu führen, dass sich nun die britische Polizei und der Geheimdienst massiv in Bewegung
setzen würden.
Jørgensen war zufrieden. Schon als Kind hatte er diese Art Gefahren gemocht. Bei seiner ersten Graffiti-Aktion in Chongwen
war er von allen am längsten vor Ort geblieben. Alle anderen waren geflohen, als sie die Polizeisirene gehört hatten. Seine
Eltern hatten ihre Last mit ihm gehabt. Sein Vater war Pfarrer gewesen, stammte aus Kopenhagen, war aber sein ganzes Leben
als Missionar durch die Welt gereist. Erst im Alter von über fünfzig hatte er eine Diakonissin geheiratet, die lange allein
gelebt hatte. Sie hatten sich in China kennen gelernt, wo Kim zur Welt kam, als seine Mutter vierundvierzig Jahre alt war.
Kim war unter Chinesen aufgewachsen und sprach so gut Chinesisch wie sie. Nach der Pensionierung seines Vaters waren sie nach
Dänemark gezogen, aber nach
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