Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
habe ein furchtbar flaues Gefühl in der Magengrube. Fast wie Schuldgefühle – nicht dass ich es ihm gegenüber zugeben würde. Aber es gibt da etwas, das ich sagen muss. Etwas, das ich klarstellen muss.
»Nur für den Fall, dass du es nicht weißt.« Ich warte, bis er sich umdreht. »Lottie liegt mir am Herzen. Sehr sogar.« Meine Stimme bebt verdächtig. »Sie ist nicht nur meine kleine Schwester, sie ist meine Freundin. Und ich habe das alles für sie getan.«
Undurchschaubar starrt Lorcan mich an.
»Ich weiß, du glaubst, du würdest aus den richtigen Gründen handeln«, sagt er schließlich. »Ich weiß, dass du in deinem Leben viel Schmerz erdulden musstest, vor dem du Lottie jetzt beschützen möchtest. Aber das ist falsch. Total falsch. Und das weißt du, Fliss. Eigentlich weißt du es.«
Sein Blick ist wieder sanfter. Plötzlich wird mir bewusst, dass er Mitleid mit mir hat. Mitleid . Das hat mir gerade noch gefehlt.
»Na, dann gute Nacht«, sage ich knapp.
»Gute Nacht.« Er schlägt denselben Ton an und verlässt das Zimmer ohne ein weiteres Wort.
19
Lottie
Es hat so sollen sein! Das ist mein alleroberliebstes Wunschszenario. Ben und ich zusammen im Boot. Schweben über die Wellen der Ägais. Auf dem Weg in den siebten Himmel.
Gott sei Dank kommen wir mal raus aus dem Amba. Ich weiß, es ist luxuriös und hat fünf Sterne, aber das ist nicht das echte Ikonos. Das sind nicht wir . In dem Moment, als wir am kleinen, geschäftigen Hafen abgesetzt wurden, habe ich gespürt, wie etwas zum Leben erwachte, das in mir begraben war. So habe ich Ikonos in Erinnerung. Alte weiße Häuser mit Fensterläden und schattige Straßen, alte Frauen in Schwarz, die an den Ecken und am Fähranleger sitzen. Der Hafen ist voller Fischerboote und Wassertaxis, und mir wird fast schwindlig vom übermächtigen Fischgeruch. Ich erinnere mich an diesen Gestank. Ich erinnere mich an alles.
Der Himmel ist von hellem Morgenblau, und die Sonne brennt mir auf die Lider, genau wie damals. Ich liege auf dem Rücken im Wassertaxi, genau so, wie ich es mit achtzehn getan habe. Meine Füße liegen auf Bens Schoß, und er spielt behutsam an meinen Zehen herum, und wir haben beide nur eins im Sinn.
Meine Haut hat sich von der allergischen Reaktion erholt, und Ben war heute Morgen scharf auf eine kleine Nummer. Aber das habe ich ihm ausgeredet. Wie können wir unsere Ehe in einem langweiligen Hotelbett vollziehen, wenn wir es stattdessen an dem Strand tun können, an dem wir es zum ersten Mal getan haben, vor so vielen Jahren? Das ist so romantisch, dass ich mich am liebsten selbst umarmen möchte. Hier sind wir, nach all den Jahren! Auf dem Weg zu unserer Herberge! Verheiratet! Ich frage mich, ob Arthur da sein wird. Ich frage mich, ob er uns wohl erkennt. Ich glaube nicht, dass ich mich so sehr verändert habe. Ich trage sogar dieselben, knallengen Batik-Shorts, die ich mit achtzehn hatte, und bete inständig, dass sie nicht platzen.
Gischt spritzt mir ins Gesicht, als wir die Wellen kreuzen, und ich lecke das köstliche Salz von meinen Lippen. Ich betrachte die Küste, an der wir entlangfahren, und erinnere mich an all die kleinen Dörfer, die wir damals erkundet haben, mit ihren engen Kopfsteinpflastergassen und den unerwarteten Schätzen – diese ramponierte Marmorstatue etwa, auf die wir einmal auf einem einsamen Marktplatz gestoßen sind und die wohl mal ein Pferd hatte darstellen sollen. Ich blicke auf, um diese Erinnerung mit Ben zu teilen, aber der ist mit seinem iPad beschäftigt. Ich höre irgendwelchen Rap und merke, dass mich die Musik nervt. Muss er sich das ausgerechnet jetzt anhören?
»Glaubst du, Arthur ist noch da?« Ich versuche, seine Aufmerksamkeit zu erregen. »Und diese alte Köchin?«
»Das kann ich mir nicht vorstellen.« Ben blickt kurz auf. »Ich frage mich, was wohl aus Sarah geworden ist.«
Schon wieder diese Sarah. Kenn ich die überhaupt?
Die Musik scheint lauter zu werden, und jetzt rappt Ben mit. Er kann echt nicht rappen. Und ich spreche hier als unvoreingenommene, liebende Ehefrau – doch er ist definitiv talentfrei.
»Hübsch und friedlich ist es hier draußen, nicht?«, sage ich bedeutungsvoll, aber er geht nicht darauf ein. »Könnten wir die Musik vielleicht einen Moment ausmachen?«
»Das ist DJ Cram, Baby«, sagt Ben und macht lauter. Fuck yo brudder , plärrt übers herrliche Meer hinaus, und ich verziehe das Gesicht.
Er ist ein selbstsüchtiger Idiot.
Der Gedanke landet ohne
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