Das Hochzeitsversprechen: Roman (German Edition)
bewahren, den ich erlitten habe. Aber es ist ihr Leben. Ich kann nicht einfach Entscheidungen für sie treffen. Wenn sie sich von Ben trennt, dann soll es eben so sein. Wenn sie eine Scheidung durchleiden muss, dann soll es eben so sein. Wenn sie siebzig Jahre verheiratet sind und zwanzig Enkelkinder kriegen, dann soll es eben so sein.
Mir ist, als hätte mich eine geistige Verwirrung auf diesen Pfad des Irrsinns geführt. Ging es wirklich um Lottie, oder ging es um Daniel und mich? Hat Lorcan recht? War das meine »unglückliche Entscheidung«? Oh Gott, was habe ich getan ?
Plötzlich wird mir bewusst, dass ich diese letzten paar Worte laut ausgesprochen habe. »Entschuldige«, füge ich hinzu. »Mir ist gerade … mir ist gerade klar geworden …« Ich hebe den Kopf, fühle mich erbärmlich.
»Du hast dir alle Mühe geben, deiner Schwester zu helfen«, sagt Lorcan fast wohlwollend. »Auf total bescheuerte, völlig schiefgewickelte Art und Weise.«
»Was …« Ich schlage die Hand vor den Mund. »Oh Gott. Was ist, wenn sie es rausfindet?« Der Gedanke ist dermaßen haarsträubend, dass ich fast in Ohnmacht falle. Ich war so wild entschlossen, es zu schaffen, dass ich die mögliche Kehrseite der Medaille gar nicht bedacht habe. Ich war ein Vollidiot.
»Das wird sie nicht«, sagt Lorcan. »Wenn du umkehrst und nach Hause fliegst und es für dich behältst. Ich kann schweigen.«
»Nico wird auch nichts verraten. Er ist mein Kontakt im Hotel.« Ich schnaufe schwer, als wäre ich haarscharf einer Katastrophe entronnen. »Ich glaube, das könnte klappen. Sie wird es nie erfahren.«
»Dann ist die Flitterwochen-Sabotage abgesagt?«
»Ab sofort.« Ich nicke. »Ich rufe Nico an. Er wird erleichtert sein.« Ich sehe Lorcan in die Augen. »Ich werde mich nie wieder in das Leben meiner Schwester einmischen«, sage ich feierlich. »Darauf kannst du dich verlassen. Verlass dich drauf.«
»Abgemacht.« Er nickt ernst. »Und was willst du jetzt tun?«
Ich schüttle den Kopf. »Ich weiß nicht. Zum Flughafen fahren. Von da aus weitersehen.« Ich zupfe an meinen schweißnassen Haaren und merke mal wieder, dass ich voll bekleidet in einem Dampfbad sitze. »Ich sehe bestimmt umwerfend aus.«
»Du hast recht«, sagt Lorcan ernst. »So kannst du nicht fliegen. Du solltest lieber eine kalte Dusche nehmen.«
»Kalte Dusche?« Verwundert starre ich ihn an.
»Schließt die Poren. Stärkt den Kreislauf. Wäscht den Tränenschnodder weg.«
Er will mich nur ärgern. Glaube ich. Oder?
»Ich mach es, wenn du mitmachst«, fordere ich ihn heraus.
»Warum nicht?« Er zuckt mit den Schultern. Ich merke, dass ich mir ein Lachen verkneifen muss. Nicht zu fassen, was wir da vorhaben!
»Okay, los geht’s.« Ich stoße die Tür auf und halte sie für Lorcan offen. Ich sehe, dass Hotelgäste sich anstoßen und herüberstarren zu den beiden Leuten, die da voll bekleidet aus dem Dampfbad treten, einer davon im Geschäftsanzug.
»Nach dir.« Lorcan deutet höflich auf die kalte Dusche. »Ich dreh dir den Hahn auf, wenn du möchtest.«
»Tu dir keinen Zwang an.« Ich muss lachen, als ich daruntertrete. Im nächsten Augenblick prasselt eiskaltes Wasser auf mich ein, und ich stoße einen kleinen Schrei aus.
»Mama!« Eine durchdringende Stimme ruft mich verzückt. »Du duschst mit Sachen an !« Noah sieht mit Richard von unserem Tisch herüber, strahlend vor Begeisterung.
Dann ist Lorcan an der Reihe und hält sein Gesicht direkt in den kalten Wasserstrahl.
»Na, also«, sagt er, als er fertig ist. »War das nicht erfrischend? Fühlt sich das Leben so nicht besser an?« Er schüttelt seinen nassen Anzugärmel aus.
Ich stutze kurz, möchte ihm eine ehrliche Antwort geben. »Ja«, sage ich schließlich. »Viel besser. Danke.«
21
Lottie
Ich weiß nicht so genau, wie ich mich fühlen soll. Da sind wir. Wieder bei unserer Herberge. Und es ist genauso, wie es war. Mehr oder weniger.
Sobald wir aus dem Wassertaxi gestiegen waren, hat Ben einen Anruf von Lorcan entgegengenommen, was mich echt genervt hat. Ich meine, es ist unser großer, romantischer, bedeutungsvoller Augenblick – und er geht ans Telefon. Das ist, als würde Humphrey Bogart sagen: »Wir beide werden für immer und ewig … entschuldige, Süße, da muss ich mal eben rangehen.«
Wie dem auch sei. Bleib positiv, Lottie. Genieß den Augenblick. Seit fünfzehn Jahren denke ich an diesen Ort. Und da bin ich nun.
Ich stehe auf dem hölzernen Anleger und warte darauf, dass
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