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Das Hotel New Hampshire

Das Hotel New Hampshire

Titel: Das Hotel New Hampshire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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zugesagt haben. Als der Winter seinem Ende zuging, plauderte Frank (angeberisch) auf deutsch, machte uns dabei bewußt kopfscheu und korrigierte unsere Antwortversuche, um uns dann mit dem Versprechen zu trösten, er werde sich »da drüben« schon um uns kümmern.
    »O Mann«, sagte Franny. »Das macht mir am meisten Bauchschmerzen. Wenn ich mir vorstelle, daß Frank uns alle zur Schule bringt, mit den Busfahrern redet, in den Restaurants die Bestellungen aufgibt, alle Telefonanrufe entgegennimmt. Mein Gott, jetzt wo ich endlich nach Übersee komme, will ich doch nicht von ihm abhängig sein!«
    Doch Frank schien aufzublühen angesichts der Vorbereitungen für Wien. Daß er mit Kummer noch einmal eine Chance bekommen hatte, gab ihm zweifellos Auftrieb, aber er schien auch ernsthaft daran interessiert, Wien zu erforschen. Nach dem Abendessen las er uns laut vor - ausgewählte Abschnitte oder, wie Frank es nannte, »Rosinen« aus der Geschichte Wiens; auch Ronda Ray und die Uricks hörten zu - merkwürdigerweise, denn sie wußten, sie kamen nicht mit nach Wien, und ihre Zukunft bei Fritzens Nummer war ungewiß.
    Nach zweimonatigem Geschichtsunterricht unterzog Frank uns einer mündlichen Prüfung über die interessanten Wiener Persönlichkeiten aus der Zeit, als Kronprinz Rudolf in Mayerling Selbstmord verübte (auch die Geschichte hatte Frank uns in aller Ausführlichkeit vorgelesen und Ronda Ray damit zu Tränen gerührt). Franny sagte, Prinz Rudolf werde zu Franks persönlichem Helden - »wegen seiner Kleidung«. Frank hatte in seinem Zimmer Porträts von Rudolf hängen: auf einem war er als Jäger gekleidet - ein schmalgesichtiger junger Mann mit einem übergroßen Schnurrbart, mit Pelzen behängt, eine fingerdicke Zigarette rauchend -, und auf einem anderen war er in Uniform und trug den Orden vom Goldenen Vlies, die Stirn so verwundbar wie die eines Säuglings, der Bart so spitz wie ein Dolch.
    »Also gut, Franny«, begann Frank, »hier ist eine Frage für dich. Er war ein genialer Komponist, vielleicht der größte Organist der Welt, aber er war ein Hinterwäldler - ein ungehobelter Bauerntölpel in der Kaiserstadt -, und er hatte die dumme Angewohnheit, sich in junge Mädchen zu verlieben.«
    »Warum ist das dumm?« fragte ich.
    »Halt den Mund«, sagte Frank. »Es ist einfach dumm, und gefragt hab ich Franny.«
    »Anton Bruckner«, sagte Franny. »Und der war dumm.«
    »Sehr«, sagte Lilly.
    »Du bist dran, Lilly«, sagte Frank. »Wer war ›die flämische Bäuerin‹?«
    »Ach komm«, sagte Lilly, »das ist zu leicht. Das ist was für Egg.«
    »Für Egg ist es zu schwer«, sagte Franny.
    »Was denn?« sagte Egg.
    »Prinzessin Stephanie«, sagte Lilly müde, »die Tochter des Königs von Belgien und Rudolfs Frau.«
    »Nun du, Vater«, sagte Frank.
    »O Mann«, sagte Franny, da Vater in Geschichte fast so schlecht war wie in Deutsch.
    »Wessen Musik war so beliebt, daß sogar Bauern den Schnurrbart des Komponisten nachmachten?« fragte Frank.
    »Jessas, bist du komisch, Frank«, sagte Franny.
    »Brahms?« riet Vater, und wir stöhnten alle.
    »Brahms hatte einen Bart wie ein Bauer«, sagte Frank. »Aber wessen Schnurrbart haben die Bauern nachgemacht?« »Strauß!« schrien Lilly und ich.
    »Der arme Trottel«, sagte Franny. »Und jetzt hab ich eine Frage für Frank.«
    »Schieß los«, sagte Frank und kniff die Augen und das ganze Gesicht zusammen.
    »Wer war Jeanette Heger?« fragte Franny.
    »Sie war Schnitzlers ›Süßes Mädel‹«, sagte Frank errötend.
    »Was ist ein ›Süßes Mädel‹ Frank?« fragte Franny, und Ronda Ray lachte.
    »Du weißt schon«, sagte Frank mit rotem Kopf.
    »Und wie viele Liebesakte haben Schnitzler und sein Süßes Mädel zwischen 1888 und 1889 geschafft?« fragte Franny.
    »Jessas«, sagte Frank. »Eine Menge! Ich hab's vergessen.«
    »Vierhundertundvierundsechzig!« schrie Max Urick, der bei all den historischen Lesungen dabeigewesen war und nie eine Tatsache vergaß. Wie Ronda Ray hatte auch Max nie eine richtige Schulbildung genossen; es war etwas Neues für Max und Ronda; sie folgten Franks Unterricht aufmerksamer als wir anderen.
    »Ich hab noch was für Vater!« sagte Franny. »Wer war Mizzi Caspar?«
    »Mizzi Caspar?« sagte Vater. »Jessas Gott.«
    »Jessas Gott«, sagte Frank. »Franny behält nur, was mit Sex zu tun hat.«
    »Wer war sie, Frank?« fragte Franny.
    »Ich weiß!« sagte Ronda Ray. »Sie war Rudolfs Süßes Mädel; er verbrachte die Nacht mit ihr,

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