Das Hotel
zurück in die Stadt getrabt sind.«
» Das ist eine verdammt taktlose Be… «
Deb hielt mitten im Satz inne. Ein Geruch war ihr in die Nase gestiegen. Ein penetranter, fauliger Gestank.
Er weckte eine tiefliegende Furcht in ihr, eine Art Urangst.
Eine Urangst, die ihr vertraut war.
Den Gestank kenne ich.
Deb suchte mit der Taschenlampe die Gegend ab, um die Quelle des Geruchs zu finden.
» Was ist los?«
Sie öffnete den Mund, aber ihr blieben die Worte im Hals stecken.
Ist das möglich? Gütiger Himmel, nein …
» Deb, was geht hier vor?«
Mit größter Anstrengung schaffte sie es, ihm zu antworten.
» Ein Berglöwe«, flüsterte sie, als sie den Lichtstrahl auf einen Busch richtete, aus dem sie zwei tödliche gelbe Augen anstarrten.
Die Fahrt zum Cozynook Motel war nervenaufreibend. Felix verbrachte die meiste Zeit damit, in den Rückspiegel zu schauen, um sicherzugehen, dass sich die Plane nicht bewegte, unter der John lag. Außerdem machte er sich Sorgen, dass das Polizeiauto wieder auftauchen würde. Zwischendurch betrachtete er sich immer wieder im Spiegel, um sich zu vergewissern, dass alles auch tatsächlich wahr war. In der einen Sekunde verspürte er eine Heidenangst, erwischt zu werden, und in der nächsten hoffte er, dass das Schicksal ihn irgendwie von seinem Plan abbringen würde.
Sobald die Zweifel zu sehr an ihm nagten, dachte er an Maria. Allein die Möglichkeit, dass sie noch lebte, bedeutete, dass er dieses Risiko eingehen musste. Felix hatte sich geschworen, dass er alles tun würde, um sie zu finden – und das hieß auch notfalls in den Knast zu wandern oder jemandem wehzutun, der etwas mit ihrem Verschwinden zu tun hatte.
Wir haben sie angezapft. Wie alle anderen auch. Schön langsam angezapft.
Felix warf einen Blick auf die Beretta, die auf dem Armaturenbrett lag. Er würde John schon zum Reden bringen. Der Hüne würde so viel erzählen, dass ihm die Lippen abfielen.
Der Parkplatz vor dem Motel war zum Bersten voll, was den Rest des Jahres über garantiert nicht besonders häufig vorkam. Das einstöckige Gebäude hatte einen Haupt- und einen Seitenflügel, und die zwölf Zimmer lagen alle im letzteren. Die Parkplätze befanden sich direkt vor den jeweiligen Eingangstüren. An jenem Morgen hatten Felix und Cameron die anderen Gäste aufgesucht, ihnen ein Foto von Maria gezeigt und nach ihr gefragt, aber niemand hatte ihnen weiterhelfen können. Im Gegensatz zu den Einheimischen hatten sich die meisten zumindest als verständnisvoll und mitfühlend erwiesen.
Mit den Bewohnern von Monk Creek und den Leuten aus der Gegend war das etwas anderes. Nicht, dass sie unfreundlich oder besonders kühl ihm gegenüber gewesen wären – distanziert traf es wohl eher. Während der vergangenen zwölf Monate hatte Felix mit mehreren Dutzend von ihnen gesprochen. Normalerweise begrüßten sie ihn mit einem warmen Lächeln oder einem Nicken, aber sobald er anfing, Fragen zu stellen, änderte sich ihre Einstellung ihm gegenüber drastisch. Zuerst hatte er gedacht, dass sie nichts mit Fremden zu tun haben wollten.
Jetzt aber ahnte er, dass es einen anderen Grund gab. Jetzt glaubte er an eine Verschwörung, an eine Wand des Schweigens. Etwas ging hier vor sich, über das niemand auch nur ein einziges Wort verlieren wollte.
Und John war Teil dieses Etwas.
Felix fuhr am Parkplatz vorbei auf die ungepflegte Grasnarbe, die das Motel säumte. Er lenkte den Wagen um das Gebäude herum in Richtung eines kleinen Hains. Nachdem er unter den Bäumen geparkt hatte, schaltete er den Motor aus. Er zuckte vor Schmerzen zusammen, als er den Schlüssel aus dem Zündschloss zog. Dann wartete er in der Dunkelheit und horchte in die Nacht hinein. Ein letztes Mal meldeten sich Zweifel in ihm.
Ich kann immer noch zur Polizei gehen und ihn einbuchten lassen. Immerhin hat er versucht, mich umzubringen. Ich habe nichts falsch gemacht.
Noch nicht.
Felix überlegte, ob er den Motor wieder anlassen sollte. John der Polizei ausliefern, war die einzig legale und moralisch vertretbare Vorgehensweise. Die Polizei hatte mehr Ressourcen, mehr Leute. Vielleicht würde sein Versuch, John selbst in die Mangel zu nehmen, Maria in Gefahr bringen.
Aber was, wenn die Polizei mir nicht glaubt? Was, wenn Johns Anwalt ihm rät, den Mund zu halten? Was ist, wenn John hier bekannt und beliebt ist? Wenn er vielleicht sogar Freunde bei der Polizei hat?
Felix konnte es einfach nicht riskieren, dass John nicht auspackte.
Die einzige
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