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Das Hotel

Das Hotel

Titel: Das Hotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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und nahm sich Zombie Apocalypse auf ihrem iPod vor. Als Grandma ihr zugeschaut hatte, war es ihr gelungen, Level 65 zu schaffen. Leider war ihre gesamte Munition dabei draufgegangen. Jetzt war sie bei Level 70 und kämpfte gegen einen Boss, der dreimal so groß wie ihre Figur war und einen unvorstellbar gewaltigen Bauch vor sich her trug, als hätte er zehn andere Fettsäcke gefressen.
    Kelly verpasste ihm eine Ladung mit dem Maschinengewehr und tanzte um seinen gewichtigen Körper, um der grünen Säure auszuweichen, mit der er versuchte, sie vollzukotzen. Seine Lebenspunkte fielen, und er wies nur noch wenige rote Streifen auf, als sie einer seiner schwerfälligen Lakaien packte und in einen Haufen Asche verwandelte.
    Auf dem Display stand: Noch einmal?
    » Mann, klar doch.«
    Sie rückte das Kopfkissen zurecht, nahm einen letzten Bissen des Schoko-Müsliriegels und bereitete sich darauf vor, weitere Zombie-Ärsche zu treten.
    Da begann JD zu knurren.
    Kelly schaute ihn überrascht an. Die Haare um sein Maul standen ab, die Lefzen waren hochgezogen, und er hatte die ihm typische Abwehrhaltung eingenommen. Er war auf einmal wie besessen und würdigte sie keines Blicks, starrte aber auch nicht auf die Tür.
    JD knurrte den Wandschrank an.
    Merkwürdig.
    » JD , komm.«
    Kelly klopfte einladend neben sich auf die Matratze. Zu Hause durfte der Schäferhund nicht aufs Bett, aber was Mom nicht wusste, konnte sie ja nicht ärgern.
    JD rührte sich nicht vom Fleck. Er knurrte erneut und kauerte sich nieder, als ob er jeden Augenblick losspringen wollte.
    Kelly starrte auf die Tür des Einbauschranks. Als sie das Zimmer inspiziert hatte, hatte die Tür offen gestanden, und der Schrank war leer gewesen. JD schien ihn inzwischen nicht mehr für leer zu halten.
    War jemand im Schrank?
    Allein der Gedanke war unheimlich, und Kelly schüttelte sich.
    » Was ist denn los, Junge?«, fragte sie den Hund. Eine sinnlose Frage. Schließlich würde JD nicht antworten.
    Aber genau das tat er – auf seine Art. Er starrte sie an und winselte.
    Das einzige Mal, dass Kelly JD winseln gehört hatte, war damals gewesen, als sie ihm aus Versehen den Schwanz in der Verandatür eingeklemmt hatte. Jetzt sah er genauso drein – aufgerissene Augen, angelegte Ohren und den Schwanz zwischen die Hinterläufe geklemmt. Als ob er verletzt wäre.
    Oder Angst hätte.
    Das war Schwachsinn. Hunde haben keine Angst.
    Oder?
    Kelly starrte erneut auf die Schranktür. Sie war völlig in die Welt ihres Spiels versunken gewesen. Hätte es jemand schaffen können, sich dort zu verstecken, ohne dass sie es gemerkt hätte?
    Nein. JD wäre so etwas nicht entgangen.
    Vielleicht war es ja kein Mensch, sondern ein Tier. Vielleicht war es durch die Hohlwände gekrochen. Sie hatten schon einmal einen Waschbären im Haus gehabt – auf dem Dachboden –, und JD war die Wände hochgegangen, als er ihn hörte.
    Aber jetzt bellte JD nicht. Stattdessen knurrte und winselte er.
    Vielleicht ein anderes Tier?
    Vor wenigen Sekunden noch war der Einbauschrank nichts als ein langweiliger, alter Einbauschrank gewesen. Jetzt aber barg er ein Geheimnis, das Kelly bis ins Mark erzittern ließ.
    Sie dachte an den Jäger beim Wasserfall, den Mann mit dem kaputten Gesicht. Nachdem sie Level 65 geschafft hatte, war sie dazu übergegangen, Wolfsrachen auf ihrem iPod zu googeln. Dabei hatte sie auf einen Link für eine Seite mit Geburtsfehlern geklickt und einige furchtbare Fotos gefunden. Einerseits musste es schrecklich sein, als Opfer solcher Fehlbildungen mit diesen leben zu müssen. Andererseits hatten sie etwas derart Abstoßendes an sich, dass Kelly schon bald den Blick von ihnen abwandte.
    Ist der Jäger vielleicht in meinem Schrank?
    Kelly stellte sich vor, wie er hinter der Tür stand und darauf wartete, dass sie einschlief. Dann könnte er zu ihr ans Bett kommen und ihr mit seinem grässlichen Mund einen Kuss geben.
    Er könnte sie küssen – oder noch viel schlimmere Dinge mit ihr anstellen.
    Kelly hatte noch nie zuvor einen Typen geküsst. Noch nicht einmal auf die Wange. Und sie wollte nicht, dass er der Erste werden würde.
    Ich spinne rum. Er ist nicht im Schrank.
    Er kann nicht im Schrank sein.
    Oder doch?
    » Komm her, JD «, sagte sie mit sanfter Stimme.
    JD kam aber nicht. Er warf ihr lediglich einen kurzen Blick zu und konzentrierte sich dann wieder auf den Schrank.
    Kelly legte ihren iPod beiseite, schwang die Füße über die Bettkante und setzte sich auf. Sie hielt

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