Das Hotel
abrupt innehalten.
Nein, das ist kein Mann.
Es war eine Figur von George Washington, überlebensgroß und in stilechten Kleidern. Deb fand sie erdrückend und machte einen großen Bogen um sie.
Die Wände der Küche waren voller Titelblätter, Zeitungsartikel, Broschüren und Wahlplakate. Auf dem höchsten Regal fast unter der Decke stand eine Reihe von Tellern, jeder mit dem Gesicht eines Präsidenten verziert. Im Gegensatz zum Rest des Hauses roch es in der Küche herrlich nach Backwaren. Doch Debs Enthusiasmus bekam einen Dämpfer, als sie sich vergeblich nach Mal umblickte.
Vielleicht kommt er gar nicht. Vielleicht hat er sich schon hingelegt.
Da erspähte sie ihn hinter der geöffneten Kühlschranktür und musste ein Lächeln unterdrücken.
» Hier gibt es genügend Muffins, um ganz West Virginia zu füttern«, sagte er. » Und ein rätselhaftes Sandwich. Hättest du Interesse daran?«
» Ich liebe Fleisch – ganz gleich in welcher Form.«
Mal nahm zwei Teller, einen für die Muffins und einen für das Sandwich, balancierte sie in einer Hand und holte auch noch eine Glaskaraffe mit Milch und zwei Äpfel heraus. Er schloss die Kühlschranktür mit einem gekonnten Hüftschwung und stellte dann alles fein säuberlich auf dem Esstisch ab.
» Das sah beinahe professionell aus«, meinte Deb und setzte sich an den Tisch.
» Ich habe während meines Studiums gekellnert. Möchten Madame vielleicht ein halbes Sandwich?«
» Madame würde am liebsten das ganze Sandwich verdrücken. Aber da du mir mit den Taschen geholfen hast, muss ich dir wohl oder übel eine Hälfte lassen.«
Mal holte Teller und Gläser aus dem Küchenschrank, und während Deb die Milch eingoss, suchte er in den Schubladen nach Besteck.
» Du bist noch nicht dazu gekommen, mir die Geschichte von Monk Creek zu erzählen«, sagte sie und leckte am pinkfarbenen Zuckerguss des Muffins, der nach Buttercreme und sehr gut schmeckte. » Du hast doch gesagt, dass du bei deinen Recherchen auf ein paar interessante Dinge gestoßen bist.«
» In der Tat. Aber willst du etwas wirklich Interessantes hören? Die Frau hat Dutzende von Löffeln und Gabeln, aber kein einziges Messer.«
» Nicht mal ein Buttermesser?«
» Kein einziges. Sieht ganz so aus, als ob dir doch das ganze Sandwich gehören würde.«
Deb öffnete ihre Bauchtasche und holte ihr Taschenmesser hervor. Sie klappte die zwölf Zentimeter lange Klinge mit dem Daumen auf und halbierte damit das Sandwich. Das Fleisch war weiß und turmhoch aufgestapelt. Die Salatblätter und Tomaten waren noch knackig und frisch. Eleanor hatte das Sandwich offenbar gerade erst zubereitet.
» Nettes Teil«, bemerkte Mal und setzte sich Deb gegenüber.
» Ich will nie wieder im Wald liegen bleiben und keine Waffe bei mir haben«, erwiderte Deb und wischte das Messer an ihrer Hose ab.
Dann fielen sie über das Sandwich her. Deb war überrascht, wie hungrig sie war. Das Fleisch schmeckte irgendwie merkwürdig. Nicht unangenehm, aber ungewohnt.
» Ist das Huhn?«, fragte sie.
Mal schüttelte den Kopf. » Fasan.«
» Sicher?«
» Ziemlich sicher. Dad hat mich früher mit zum Jagen genommen, als ich noch ein Kind war.«
» Und? Gehst du immer noch jagen?«
» Nein. Ist nicht mehr so mein Ding.«
» Fasan?«
» Tiere töten. Aber ich bin ein echter Heuchler, denn ich esse wirklich gerne Fleisch. Wenn ich es mir allerdings erst erjagen müsste, würde ich dankend ablehnen.«
Deb biss erneut in das Brot und schnitt sich dann einen Schnitz von dem Apfel ab. Das knackige Obst bot einen leckeren Kontrast zum Wildgeschmack des Fleisches.
» Also, Monk Creek«, fuhr sie fort. » Was hast du während deiner Recherchen herausgefunden?«
Mal schluckte den letzten Bissen. » Was mir am besten als Polizist gefallen hat, war, Dinge herauszufinden. Die Gewalt mochte ich überhaupt nicht, deshalb habe ich gekündigt und stattdessen Journalismus studiert. Während ich mich also auf das Projekt hier vorbereitete, wollte ich die Geschichte der Gegend etwas genauer erkunden, um sie als Hintergrund für die Interviews zu benutzen. Und da bin ich auf ein paar sehr merkwürdige Dinge gestoßen.«
Deb schnitt noch einen Schnitz vom Apfel ab. » Und das wäre zum Beispiel?«
Mal rieb seinen Apfel am Ärmel blank und biss hinein. » Hier verschwinden ganz schön viele Leute.«
Als Deb fertig gekaut hatte, sagte sie: » Definiere ganz schön viele .«
» Während der letzten vierzig Jahre immerhin über
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