Das Hotel
Gestalt. » Ich heiße Grover.«
» Ist mir egal, wie du heißt«, sagte Kelly, und in ihren Schmerz mischte sich Wut.
» Alice war Theodore Roosevelts erste Tochter«, erklärte Grover. » Sie hatte sehr schönes Haar.«
Dann trat Grover in den Schein des iPods. Er war größer als einen Meter achtzig und trug eine schmutzige Latzhose und ein ausgewaschenes Flanellhemd. Seine Augen waren winzig und lagen viel zu eng zusammen. Er hatte ein riesiges Kinn, das aus seinem Gesicht hervorstach. Außerdem wurde sein Kopf zur Stirn hin immer schmaler, beinahe wie ein länglicher Kürbis. Eine schief sitzende, blondgelockte Perücke bedeckte den unförmigen Schädel.
» Findest du, dass ich schöne Haare habe?«, fragte der große Mann mit der Stimme des kleinen Mädchens und betastete seine Perücke.
Dann jaulte er auf wie ein verletzter Hund.
Kelly schrie, doch Grover legte ihr eine dicke, raue Hand über Mund und Nase und kicherte wie ein fünfjähriges Kind.
Kelly trat aus, schlug wild um sich und kämpfte wie eine Verrückte, um Luft zu bekommen.
Aber er ließ nicht von ihr ab.
Mal packte Deb am Arm und brachte sie dadurch kurz aus dem Gleichgewicht, hielt sie jedoch fest. Die Finsternis fühlte sich für Deb wie ein schweres Gewicht an, das auf ihr ruhte und drohte, sie in den Erdboden zu drücken.
» Wo?«, fragte er flüsternd.
» In den Sträuchern«, antwortete Deb.
Gerade noch hatte sie die tödlichen gelben Augen des Pumas ausgemacht, doch jetzt hatte er sich zurückgezogen.
» Sicher?«, fragte Mal. » Ich kann nichts sehen.«
» Riechen Sie es nicht?«
Mal schnupperte. » Es stinkt.«
Das war ein Geruch, den Deb nie vergessen würde. » So riechen Großkatzen. Wir müssen uns langsam zurückziehen. Und lassen Sie meinen Arm los. Sonst falle ich wirklich noch hin.«
Mal ließ sie los. Auf ebenem Untergrund hatte Deb keine Schwierigkeiten, mit ihren Cheetah-Prothesen rückwärts zu gehen, aber auf diesem Waldboden war das etwas anderes. Ihr einziger Gedanke galt nun der Vorstellung, wie sie damals wie ein Wollknäuel hin und her geworfen worden war und sich die Klauen der großen Raubkatze mit jedem Prankenhieb tiefer in ihr Fleisch gegraben hatten. Der Löwe hatte sie mühelos mehrere Male über die Wiese geschleudert, und die Narben an ihrem Körper würden sie das Erlebnis nie vergessen lassen. In einem gewissen Sinn war es schlimmer gewesen, als ihre Beine zu verlieren.
Der Gedanke machte sich in ihr breit, nahm Besitz von ihr und beherrschte sie so sehr, dass sie vergaß, wo sie hintrat. Sie rutschte aus und ruderte wild mit den Armen, um nicht auf den Hintern zu fallen.
Mal ergriff sie an den Schultern und hielt sie aufrecht, bis sie ihre Beine wieder unter Kontrolle hatte.
» Danke«, sagte sie.
» Sind Sie sicher, dass es ein Berglöwe war?«
» Ja.«
» Wie sicher?«
Deb gefiel es nicht, dass er an ihr zweifelte. Sie hatte die Augen des Raubtiers gesehen und sich erinnert, wie der Löwe sie damals angestarrt hatte. Deb warf Mal einen scharfen Blick zu.
Aber Mal war sich auch sicher gewesen, dass ihr Reifen nicht von selbst geplatzt war, sondern man darauf geschossen hatte. Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er falschgelegen. Also war seine Frage nicht unberechtigt.
» Sie müssen Deborah Novachek sein. Und der Reporter?«
Die Stimme kam aus demselben Gestrüpp, in dem Deb die Raubkatze gesehen hatte. Sie war weiblich und klang heiter und freundlich.
» Haben Sie hier einen Berglöwen gesehen?«, erkundigte sich Mal.
Deb runzelte die Stirn und sah ihn wütend an, doch Mal zuckte nur mit den Achseln.
» Einen Berglöwen?«, fragte die Frau. » Um Gottes Willen, nein. Obwohl es sie hier in der Gegend geben soll. Aber ich bitte Sie, kommen Sie doch hinein. Ich heiße Eleanor Roosevelt und bin die Eigentümerin des Hotels.«
Eleanor trat aus dem Gebüsch, und Deb richtete den Strahl der Minitaschenlampe auf die Frau. Sie war auffallend groß und trat in einer entschlossenen und bestimmten Art auf sie zu, die irgendwie nicht zu ihrem Alter passte.
» Sehr erfreut, Eleanor«, erwiderte Deb. » Aber wissen Sie genau, dass …«
» Gütiger Himmel, junge Frau. Was ist mit Ihren Beinen passiert?«
Mal drückte ihre Schulter etwas fester – wohl zur Beruhigung –, doch Deb schüttelte ihn genervt ab.
» Ich habe sie bei einem Kletterunfall verloren«, erklärte Deb. » Und damals bin ich einem Berglöwen genau wie …«
» Sind Sie krank?«, unterbrach Eleanor. » Sie dürfen
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