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Das Hundehotel

Das Hundehotel

Titel: Das Hundehotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Cooper
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Augenblick damit rechnen, als nächste gespritzt und ausgepumpt zu werden.
    Der Patient brummte etwas und knallte den Hörer auf. Ich stellte fest, daß ich am ganzen Leib zitterte. Warum mußten wir uns am Telefon jedesmal zanken, wo wir es zu Hause nie taten? War es nur die Anspannung? Frustration? Angst? Enttäuschung? Meine Nase war voller Tränen, so daß ich noch einen Moment in der Küche blieb, ehe ich wieder hinausging, um eine neue Rolle zu spielen — diesmal eine zornentbrannte Charlotte Rampling, die auf allen Männern mit scheußlich ungepflegten Füßen herumtrampelte.
    Ich dachte zum millionstenmal, daß nur Hunde Verständnis für mich hätten, ohne mich anzukläffen. Ich warf einen liebevollen Blick auf den alten Rover. Er schlief in seiner Kiste. Er war sehr ruhig, ganz still. Ich ging rasch zu ihm, kniete mit tränenbrennenden Augen nieder, um seine Decke glattzuziehen. Er war irgendwie anders als sonst, und mein Herz schien plötzlich stehenzubleiben. Ich hörte, wie Bustle oben durch das Balkongitter einen Vogel anbellte. Die Hitze hatte die anderen Hunde in Schlaf gelullt, und sie träumten von kühlen Wäldern und munterem Wild oder von Metzgern und Würstchen - jedenfalls von Dingen, die Tiere im Schlaf vor Aufregung jaulen und trampeln lassen.
    Rover war so still. Viel, viel zu still. Selbst Schlaf verursacht winzige Vibrationen. Aber er hatte keine Vibrationen. Nichts. Nur eine trockene Nase, geschlossene Augen, diese schreckliche Stille.
    Ich wich zurück und flüsterte vor mich hin: «O nein, bitte nicht...» Und dann schüttelte ich vor Entsetzen zitternd den alten Kopf, um den Funken einer Reaktion auszulösen. Nichts geschah. Ich flehte: «Laß ihn bitte nicht tot sein...» Aber es schien offensichtlich, daß hier jedes Gebet zu spät kam.
    Starr vor Entsetzen hockte ich da und starrte auf das, was von einem langen und treuen Leben übriggeblieben war. Die Erinnerung an die Augen seines Herrn beunruhigten mich mehr als das unvermeidliche Ende, das niemand hätte verhindern können. Ich hätte alles getan, um die Uhr zurückzudrehen, dem stehengebliebenen Herzen ein noch so schwaches neues Leben einzuhauchen. Zitternd unter dem Ansturm von verschiedenen Gefühlen hob ich den eisgrauen Kopf mit beiden Händen an und bedeckte den Mund mit meinem eigenen, pustete vorsichtig in seine Kehle. Ich tat es mit Widerwillen und nur aus einem bestimmten Grund. Das heißt, in Wahrheit aus zweien, und beide waren nicht sehr löblich. Der erste war, daß ich später aufrichtig behaupten konnte, alles getan zu haben, was in meinen Kräften stand. Der zweite, daß ich ein moralischer Feigling war und dem alten Mann nicht mit der Hiobsbotschaft entgegentreten mochte. Es war leichter, etwas zu tun, was mich körperlich abstieß (und das tat es), als etwas, das jemand anderen seelisch zugrunde richtete (was es tun würde).
    Mir wurde übel, als der Speichel des Hundes über mein Gesicht lief, aber ich machte immer weiter, bis der Kopf schlaff auf die Wolldeckenfalten zurückfiel. Ich taumelte zum Ausguß, würgte und spülte mir wieder und wieder den Mund aus. Ich gurgelte, wusch mir das Gesicht, bürstete meine Hände, als ob der Tod ansteckend wäre. Dann nahm ich eine saubere Decke und breitete sie über die Kiste, die immer noch gegenüber der Tür stand, wo er seine letzten Tage gewartet hatte, auf jemanden, der jeden Augenblick kommen konnte. Aber nicht kam.
    Erst als ich die Kiste weggeschoben hatte, so daß man sie nicht mehr auf den ersten Blick sah, in die Ecke zwischen dem Herd und der Wand, die mir immer zu stickig erschienen war, um etwas hineinzustellen, erst dann fiel mir wieder ein, wer draußen wartete. Es schien nicht mehr wichtig zu sein. Mit rotgeweinten Augen, strähnigen Haaren und verschmiertem Make-up ging ich hinaus. Man hätte denken können, ich sei schnell zu einem Liebhaber gelaufen, der sich in meinem Schlafzimmer versteckt hatte, zu einem anderen Gorilla — oder ein Anruf, vielleicht das Ende einer leidenschaftlichen Affäre, habe mich zu sehr mitgenommen. Aber das Herz war verstummt. Meine Lippen hatten nur auf denen eines toten Hundes geruht, und das ließ sich nicht so schnell abschütteln.
    «Entschuldigung», sagte ich und setzte mich hin. Ich zitterte immer noch. Er muß gedacht haben, es sei wegen des Anrufs, denn er beugte sich zu mir, sah mich mitfühlend an und nahm meine Hand. Mit all dem Getue vorhin hast du viel weniger erreicht, sagte ich mir spöttisch: Du

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