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Das Hundehotel

Das Hundehotel

Titel: Das Hundehotel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Cooper
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Schweins sagte, würde er Angst bekommen, daß ich ihn mit einer Rinderherde und einem Rudel Sattelrobben empfinge.
    Wir sprachen nie davon, wann er heimkäme. Der behandelnde Facharzt hatte mir in einem kurzen Schreiben mitgeteilt, sie wüßten, daß wir in eine andere Gegend gezogen seien, und hielten es für besser, ihn dort weiter zu beobachten und nicht hier, wo es sehr schwierig sein würde. Man hätte meinen können, wir seien auf eine einsame Insel ohne Strom und Wasser gezogen.
    Als nächstes erfuhr ich, daß er mit vier anderen im Kino gewesen sei und einen Film über ein Zeppelinunglück gesehen habe, und beim Absturz seien sämtliche Passagiere zu Mus gegangen. Er sagte, der Film sei sehr gut gewesen. Ich glaubte ihm aufs Wort.
    Als er jedoch aufgelegt hatte, empfand ich wieder das alte Selbstmitleid. Ich fühlte mich allein. Verlassen. Schlimmer noch, betrogen. Da lag er den ganzen Tag faul herum mit Räucherhering oder und Buchstaben und Filmen, in denen Leute zu Mus gingen, und ich saß hier, auch schon fast zu Mus und weit und breit kein Hering. Ich fragte mich, ob man Skorbut oder etwas Ähnliches bekommt, wenn man keinen Fisch ißt. Der Bäcker kam, die Lebensmittel wurden ins Haus gebracht, Steve brachte mir zusammen mit den Abfällen, den Schweinsköpfen und Füßen für die Hunde «etwas vom besten Hack», und der Hundefutter-Mann bot mir manchmal Kohl an, wenn er mit den Pansen und Lungen kam. Aber ich hatte plötzlich einen gierigen Appetit auf Sprotten oder geräucherten Schellfisch.
    Ich saß auf dem Fußboden und heulte. Es war eine jener Gelegenheiten, bei denen man gewöhnlich jemanden anschreit: «Es ist alles deine Schuld!» Ich schubste Rosie und zwei andere fort, die gekommen waren, mich zu trösten. Für meine momentane Verfassung waren sie völlig ungeeignet. Die Tränen flössen schneller. Ich schniefte laut, um mir zu beweisen, daß ich sehr deprimiert war. Frilly machte ein oder zwei Nummern — sie fischte eine unschuldige Blume aus der Vase auf den Tisch und riß die Blütenblätter ab. Dann fühlte ich plötzlich, wie mir etwas in den Schoß gelegt wurde. Etwas Warmes und Weiches. Dankbar und liebevoll streichelte ich es.
    Es war ein Schweinskopf frisch aus dem Backofen. Ich kreischte los und sprang auf. Toby hatte mir in seiner Sorge ein Geschenk gebracht, um mich aufzuheitern. Meist wählte er einen Pantoffel oder einen Handschuh oder ein Geschirrtuch, aber welche Geste zeigte mehr Liebe als seine nächste Mahlzeit?
    Ich bezweifle jedenfalls, daß es etwas Wirksameres hätte geben können. Ich wusch mir die Hände, ging nach oben, zog andere Jeans an und fand ein Buch mit Gedichten von Dorothy Parker. Sie wiederzulesen, die Worte schwarz auf weiß zu sehen, die Reime mehrmals auszukosten, all das war noch besser als eine ganze Seite Hiawatha aus dem Gedächtnis zu rezitieren.
    Ungefähr in diesem Augenblick ging mir ein Licht auf. Langsam, aber so überwältigend, daß ich mich ein paar Minuten nicht rührte, um die Erkenntnis zu verkraften. Wir saßen im selben Boot, ich meine, die Hunde und ich. Wir fühlten uns allein gelassen, und keiner von uns wußte mit Sicherheit, ob wir je wieder erwünscht sein würden!
    Es hatte vom ersten Tag an auf der Hand gelegen, aber ich erkannte es erst jetzt. Vielleicht hatte ich es auch nicht sehen wollen. Die Hunde besaßen irgendeinen sechsten oder auch siebten Sinn, der ihnen Mut und Zuversicht und Hoffnung gab. Ich armes Menschenkind hatte nur ein überentwickeltes Gehirn, das sich ein Dutzend Gründe ausdenken konnte, die es jeden Tag plausibler erscheinen ließen, daß niemand zu mir zurückkehren würde. Entweder war mein Mann so krank, daß sie ihn um seines eigenen Wohls willen dortbehalten mußten, oder es ging ihm so gut, daß er jederzeit gehen konnte, es aber nicht tat, weil er eben nicht zurückkommen wollte. Je mehr ich darüber nachdachte, desto offensichtlicher war es. In letzter Zeit hatten wir beide nicht ein einziges Mal gesagt, wie sehr wir uns danach sehnten, wieder zusammenzusein. Es war wie ein Tabu. Ich hatte vor allem deshalb geschwiegen, weil ich befürchtete, er werde sich in den ungestrichenen Räumen nicht wohl fühlen, und die vielen Hunde, die Pflichten, die Hektik, das Gekläffe, das Durcheinander, die viele Arbeit, der Geruch von Schweinsköpfen und der Mangel an heißem Wasser würden ihn verrückt machen. Die Kohlen waren zwar gekommen, aber das Wasser wurde nie richtigheiß. Vielleicht taten es die

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