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Das Hungerjahr - Roman

Das Hungerjahr - Roman

Titel: Das Hungerjahr - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aki Ollikainen
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Kartoffelmaß hin und her zu bewegen und die Kartoffeln inzwischen in einen kleinen Topf geschüttet.
    »Aber man muss ihn zum Essen wecken. Ich kann euch das Essen nämlich nicht mitgeben. Unten im Haus sind alle hungrig, und der Hunger lässt die Leute verzweifeln. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie man Kindern Brot aus dem Mund geraubt hat«, redet Hakmanni weiter und deutet auf den schlafenden Juho auf der Chaiselongue.
    »Jenseits der Brücke haben sie mitten auf der Kreuzung einen Dieb erschlagen«, berichtet Marja.
    Juho kaut lange auf einer Kartoffel, bis sie sich im Mund aufgelöst hat und als Speichel aus den Mundwinkeln rinnt. Hakmanni sagt nichts, er starrt Juho nur an, dessen Kiefer ihre endlose Bewegung fortsetzen.
    »Das heißt, ich weiß nicht, ob er wirklich tot war, aber es kann nicht viel anders gewesen sein«, fährt Marja fort.
    »Man sollte versuchen, Verständnis aufzubringen«, flüstert Hakmanni schließlich. »Weil es allen an Nahrung fehlt. Wie ein Hunderudel rennen sie jedem Fleischbrocken nach und zerfleischen sich gegenseitig.«
    »Es war tatsächlich ein Brocken Fleisch, was er gestohlen hatte.«
    Die Schlange ist verschwunden. Die Sterne leuchten hell und tot am dunklen Himmel. Mit einer Lampe in der Hand geht Marja auf dem Trampelpfad im Schnee zum Armenhaus hinunter. Hakmanni trägt ihr den schlafenden Juho hinterher.
    Aus dem Armenhaus schlägt ihnen dicke, nach Qualm riechende Luft entgegen. Marja erkennt einen Ofen aus aufgeschichteten, ganz schwarz gewordenen Steinen, darin rötlich flackerndes Licht, das in kleinen Wellen auf dem schmutzigen Fußboden vordringen will, sich aber immer wieder in den Schutz der Steine zurückzieht, sobald es auf einen der Zerlumpten gestoßen ist, die auf dem Boden liegen. Hakmanni wünscht Gottes Segen, dann schließt er die Tür. Marja nimmt Juho auf den Arm und sucht einen freien Platz. Sie lässt sich auf der Bank unter einem Fenster nieder. Juho legt sie möglichst dicht am Ofen auf den Fußboden.
    Die kleinen Fensterscheiben sind innen mit Ruß und außen mit Reif überzogen, aber Marja sieht trotzdem, dass der Stern sie noch immer grausam anstarrt. Im selben Augenblick legen sich von hinten knochige Hände um ihren Hals und ziehen sie zu Boden. Durch den Hunger und die Erschöpfung hindurch schiebt sich ein ekelhaftes Keuchen in Marjas Bewusstsein. Sie versucht zu schreien, bekommt aber keine Luft. Schließlich lösen sich die Hände von ihrem Hals, aber nur um an ihren Kleidern zu reißen. Entweder tasten die kalten Finger nach einem Stück Brot oder nach dem vom Hunger welken Fleisch. In ihrer Not versucht Marja, nach Juhos Ärmel zu greifen, aber die fremden Finger umklammern ihr Handgelenk und hindern sie daran.
    »Die Hure gibt von dem, was sie hat, etwas ab, weil sie glaubt, sie kriegt dafür Brot«, keckert die boshafte Stimme eines alten Weibs in der Dunkelheit des Raums.
    »Die besseren Herrschaften haben dich, scheint’s, nicht in die Kammer gelassen, sonst müsstest du hier nicht deine Ware feilbieten, he he he …«
    In den Wandbalken knackt der Frost, und dann löst sich der Mann in der stickigen Luft auf und Marja bleibt im Leeren liegen.
    Es tut einen Schlag, als der Mann auf den Boden fällt. Marja braucht eine Weile, bis sie den Aufprall begreift. Sie dreht sich um und blickt auf eine dürre Gestalt, die ein Holzscheit in der Hand hält.
    »Du hast ihn umgebracht; du hast einen guten Mann umgebracht«, krächzt die Alte.
    »Halt das Maul, Weib!«, kam es aus einer anderen Ecke.
    »Du steckst mit der Hure unter einer Decke!«, kam es zurück. »Die Hure verführt die Männer, und der Komplize schlägt zu. Sie haben einen umgebracht, die Mörder! Mörder! Hure!«
    »Wenn du verfluchtes Froschweib noch einen Mucks von dir gibst, kriegst du ebenfalls das Holzscheit zu spüren.«
    Die Stimme gehört einem Jungen, sicherlich nicht viel älter als Mataleena, denkt Marja. Juho ist aufgewacht und schluchzt. Marja zieht ihn an sich, beruhigt das Kind und gleichzeitig sich selbst.
    Knarrend öffnet sich die Tür einen Spaltbreit, ein Licht erscheint und gleich darauf Hakmannis Gesicht.
    »Was, in Gottes Namen, herrscht hier für ein Radau?«
    Hakmannis Lampe erleuchtet den Raum. Der skelettdürre Mann, der mit dem Bauch auf dem Boden liegt, sieht mit sperrangelweit geöffneten Augen, wie die Strohhalme vor ihm im roten Blut zu schwimmen beginnen. Sie treiben unmittelbar vor seinen Augen, aber er betrachtet sie wie aus großer

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