Das Imperium
bereit, sie nötigenfalls als Kadetten zur Kampfschule zurückzuschicken, um ihr Gedächtnis aufzufrischen und sie an den wahren Zweck der Terranischen Verteidigungsflotte zu erinnern. Er nannte sich selbst General und bezeichnete seine Subcommander – jeder von ihnen hatte den Befehl über ein Gitter – als Admirale.
Während seiner Zeit als Kommandeur hatte Lanyan das Potenzial der TVF erhöht und er achtete darauf, immer über Stationierung und Einsatzorte der Schiffe Bescheid zu wissen. Manchen Abend in seinem privaten Quartier verbrachte er damit, die Verteilung seiner Feuerkraft zu überprüfen. Die TVF hatte Rebellionen niedergeschlagen und Raumpiraten wie Rand Sorengaard zur Strecke gebracht, aber Lanyan wusste, dass er in seiner Wachsamkeit nie nachlassen durfte.
Er betrachtete die erstarrten Fronten im simulierten All und ließ den Blick über die vielen Raumschiffe gleiten, verglich sie mit zwei Wolfsrudeln. »Mit dem Kampf beginnen, ohne Handikaps für die eine oder andere Seite.«
Lanyan stand an der Wand und beobachtete, wie die Fetzen flogen.
Die ildiranischen Kriegsschiffe eröffneten das Feuer und rissen Lücken in die Linien der Terranischen Verteidigungsflotte. Die Remoras sausten los und ließen Jazer-Blitze durchs All zucken. Die Solare Marine fügte ihrem Gegner schwere Verluste zu, indem sie starr an ihrer Formation festhielt, wie römische Soldaten, aber die TVF setzte sich mit individuellen Vorstößen und unvorhersehbaren Taktiken zur Wehr.
Ein Raumschiff nach dem anderen wurde zerstört und Trümmer breiteten sich im All aus, wodurch die Navigation problematischer wurde – die Gefechtssimulation berücksichtigte auch diesen Faktor. Die Gravitationsschächte der Planeten im Yreka-System bewirkten weitere Komplikationen. Und der Kampf tobte weiter.
»Simulationsgeschwindigkeit auf das Dreifache erhöhen.«
Schiffe huschten wie Hornissen hin und her, vernichteten sich gegenseitig. Einzelheiten verloren sich im Durcheinander, aber Lanyan gewann einen guten Eindruck vom allgemeinen Geschehen.
Schließlich gleißten keine Strahlen mehr durchs All, und das Glühen und Gleißen von destruktiver Energie verblasste. Das interplanetare Schlachtfeld verwandelte sich in einen Friedhof aus Wracks und Trümmern, die wie künstliche Meteoriten dahinschwebten. Der General fragte sich, welchen Teil der Simulation er sich noch einmal ansehen sollte, um eine genaue Analyse vorzunehmen.
Kummervoll stellte er fest, dass beide Flotten zerstört worden waren. Ildiraner und Terraner hatten sich gegenseitig massakriert. »Wenigstens haben wir nicht verloren«, sagte Lanyan und deaktivierte die Simulation.
Seine Pflicht bestand darin, alle Alternativen zu prüfen und Antworten zu finden, für den Fall, dass eine bestimmte Situation nach ihnen verlangte. Ganz gleich, was Politiker und Diplomaten behaupteten: Lanyan glaubte, dass das Ildiranische Reich einmal zum größten Antagonisten der Menschheit werden würde.
Immerhin hatten die terranischen Forscher im weiten All keine andere Spezies gefunden, die zu einer Gefahr werden konnte.
34 ROSS TAMBLYN
Die Blaue Himmelsmine glitt über die Nachtseite von Golgen. Es war so ruhig, dass Ross Tamblyn nicht schlafen konnte. Er wanderte über die Decks, hielt die Augen offen und kontrollierte alle Systeme. Er hatte alles in diese Anlage investiert, seinen Ruf und die Abfindung, die er vor der Enterbung von seinem Vater bekommen hatte.
Bevor er nach draußen ging und sich dem beißenden Wind aussetzte, zog er warme Kleidung an. Er schlang sich einen Schal um den Hals, zog eine mit vielen Taschen ausgestattete Jacke an und ließ das dunkle Haar unter der Kapuze verschwinden. Zum Schluss streifte er Handschuhe über und trat hinaus, um fast zweitausend Kilometer über der unsichtbaren Oberfläche des Gasriesen frische Luft zu schnappen.
Ross passierte die Windtür und erreichte sein privates Beobachtungsdeck. Er liebte es, von hier aus in den milchigen Ozean der Wolken zu blicken und den Wind im Gesicht zu spüren.
Die meisten weißen Tauben saßen während der Nacht auf den Stangen. Sie gurrten und es klang wie Blasen unter Wasser. Einige wenige Vögel breiteten die Flügel aus und flogen in weiten Kurven, ließen sich im Aufwind treiben. Der Instinkt veranlasste sie, nach Insekten zu suchen, aber im sterilen Atmosphärenozean von Golgen fanden die Tauben nur die Nahrung, die Ross für sie bereit hielt.
Die kalte Nachtluft roch ein wenig nach Schwefel und
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