Das Inferno
dort einen cremefarbenen Jaguar. Seine nächste Anlaufstelle war der Buchladen Hatchards, wo er eine topographische Karte von East Sussex kaufte und noch im Geschäft zwei Minuten lang betrachtete.
Einen Plan von London brauchte er nicht, weil er die Stadt von seinen früheren Besuchen fast so gut wie Washington kannte.
Auf der Ausfallstraße nach Petworth überholte ihn eine blonde Frau in einem Audi und winkte ihm dabei triumphierend zu. »Das lasse ich mir nicht gefallen«, sagte sich Wendover und trat aufs Gas. Als sein Jaguar an dem Audi vorbeischoss, winkte er lässig zu der Frau hinüber, die einsehen musste, dass sie keine Chance gegen den cremefarbenen Blitz hatte, der vor ihr schnell kleiner wurde.
Als Wendover schließlich von der A27 nach Alfris ton abbog, fuhr er etwas langsamer. Es war ein herrlicher Tag, an dem die Sonne aus einem wolkenlosen Himmel strahlte. In Alfriston stellte Wendover den Jaguar in einer stillen Straße am Ortsrand ab und warf seinen Trenchcoat in den Kofferraum. Mit großen Schritten ging er in den Ort hinein und betrat ein Pub, das gerade aufgemacht hatte. Auf dem Land war das Pub der beste Ort, um den lokalen Klatsch zu erfahren. Wendover lächelte dem Mann hinter dem Tresen zu, bestellte ein Pint braunes Ale und setzte sich auf einen Barkhocker.
»Sie sind heute mein erster Kunde«, sagte der Wirt. »Machen Sie hier Urlaub?«
»Ich habe mich noch nicht entschieden. Alfriston scheint ja ein ziemlich ruhiger Ort zu sein. Viel passiert hier bestimmt nicht.«
»Seien Sie sich da mal nicht so sicher. Sie werden es kaum glauben, aber wir hatten erst gestern einen Mord hier.«
»Tatsächlich? Es gibt ja nichts Spannenderes als einen guten Mord«, erwiderte Wendover gut gelaunt. »Ich bin ein begeisterter Krimileser. Wer ist denn ermordet worden? Jemand von hier?«
»Nein. Soviel ich weiß, war es ein hoher Staatsbeamter.«
»Der aber hier in Alfriston wohnt.«
»Nein. Der Mann ist hier noch nie gesehen worden. Niemand weiß, wieso er ausgerechnet hierher kommen und sich im Durchgang zur Kirche eine Kuge l in den Kopf jagen musste.«
»Aber das klingt ja eher nach Selbstmord.«
»Ich will Ihnen mal was sagen«, flüsterte der Wirt und beugte sich vertraulich über die Theke. »Die Polizei steht vor einem Rätsel. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen, wo es passiert ist. Der Tunnel ist nur ein paar Schritte von hier entfernt.«
Wendover, der erst einen einzigen Schluck von seinem Bier getrunken hatte, nahm das Glas mit nach draußen. Der Barkeeper zeigte ihm die Stelle, wo immer noch das Absperrband der Polizei hing. Zwei Bauern gingen an ihnen vorbei und verschwanden im Pub.
»Kundschaft. Entschuldigen Sie mich bitte…«
Wendover wartete bis der Wirt im Pub verschwunden war, dann schüttete er das Bier in einen Gully. Er achtete peinlich darauf, niemals zu trinken, wenn er Auto fuhr. Danach brachte er das leere Glas zurück, dankte dem Wirt und ging weiter in das nächste Pub, das nicht weit vom ersten entfernt war. Auch hier stand der Wirt allein hinter dem Tresen. Wendover bestellte sich wieder ein Ale und hatte kein Problem, mit dem kleinen, dicken Wirt ins Gespräch zu kommen.
»Morgenstund hat Ale im Mund«, witzelte der Mann. »Aber natürlich nur, wenn man nicht Auto fahren muss.«
»Sie leben in einem hübschen Ort«, sagte Wendover.
»Komisch, dass hier keine Prominenten leben.«
»Na ja, so pauschal kann man das auch nicht sagen«, erwiderte der Wirt fröhlich. »Keine fünf Meilen von hier hat zum Beispiel Lord Barford seinen Landsitz. Barford Manor heißt das Anwesen. Ist seit Generationen in Familienbesitz.«
»Tatsächlich? Ich dachte immer, die Steuer hätte solche Aristokraten vom alten Schlag schon längst an den Bettelstab gebracht.«
»Da könnte was dran sein. Erst kürzlich waren zwei Landvermesser hier. Ich habe gehört, wie der eine dem anderen erzählt hat, dass Lord Barford Problem mit seinem Anwesen hat.
In den Mauern sitzt der Hausschwamm, die Hälfte der Fenster muss ersetzt werden, und das Dach ist auch nicht mehr dicht.
Der Landvermesser meinte, dass die Reparaturen Barford mindestens eine Million Pfund kosten dürften. Es geht ihm zwar finanziell nicht schlecht, aber soviel Geld hat er bestimmt nicht.
Schließlich leistet er sich einen Hubschrauber und unterhält einen Reitstall. Er reitet nämlich gern in die Downs in Richtung Eagle’s Nest.«
»Was ist denn das?«, fragte Wendover und nippte an seinem Bier.
»Ach, eines von
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