Das Internat
bin, und ich traue mir selbst nicht."
Sie war zu Männern ins Auto gestiegen wie eine Prostituierte. In Kneipen und Billardhallen hatte sie Männer aufgerissen, in Country Clubs, Supermärkten, sogar in der Kirche. Wann immer dieses sengende Gefühl von Ablehnung in ihr brannte, wann immer man ihr zu verstehen gab, sie sei nicht gut genug, trieb sie einen Mann auf, der sie großartig fand.
Zuerst redete sie sich ein, dass es um Macht ging – und ja, dieser hemmungslose Rausch der Ekstase war es wert, etwas zu riskieren. Aber nach und nach hinterließ auch das Gefühl von Macht wieder Leere und Sehnsucht in ihr. Jane brauchte Liebe und Anerkennung, die sie als Kind nicht bekommen hatte. Dass sie es nicht verdiente, hatte Jane lange geglaubt … bis sie Larry traf.
"Ich darf nicht rückfällig werden", sagte sie. "Ich kann das nicht noch einmal durchmachen. Oder es ihm zumuten."
Sie faltete die Hände im Schoß und senkte den Kopf, als warte sie auf die Verurteilung durch den Richter. Aber die Stimme des Psychiaters klang ruhig und voller Mitgefühl.
"Jane", sagte er, "vor fünfzehn Jahren mussten Sie sich unbedingt etwas beweisen. Heute sind Sie glücklich mit dem Präsidenten des mächtigsten Landes der Welt verheiratet. Ohne Sie könnte er seinen Job nicht machen. Sie sind die First Lady, Jane."
Lady Jane,
dachte sie und schüttelte den Kopf.
Sie brauchte einige Momente, um zu begreifen, dass ihr Leben sich auf dem Olymp abzuspielen schien: Der abrupte Wechsel von Tragödie und Triumph ließ keine Normalität zu. Schließlich schaute Jane den Arzt an und schaffte es, einen Hauch von Ironie in ihre Antwort zu legen. "Was muss ich noch beweisen?"
Er lächelte. "Aus meiner Sicht nichts, aber die Frage können nur Sie beantworten."
Sie ließ sich in den Ledersitz ihres Luxuswagens fallen und seufzte, um einiges von dem Druck loszuwerden, von dem ihr Psychiater gesprochen hatte. Die Sitzung hatte geholfen. Sie war jetzt ruhiger – weniger besorgt, dass sie über einen unschuldigen Praktikanten herfallen könnte –, aber sie wusste nicht, wie lange dieser Zustand andauern würde. Jederzeit konnte sie an Beruhigungsmittel kommen, nur war das keine Lösung.
Sie nahm sich vor, sich auszuruhen. Das Mobiltelefon war ausgeschaltet, und sie wurde von einem Geheimdienstagenten gefahren. Wie oft hatte sie die Chance, von der Bildfläche zu verschwinden und ganz allein zu sein, ohne dass jemand um ihre Aufmerksamkeit heischte? Trotzdem kamen ihre Gedanken nicht zur Ruhe. Sie sprangen und wirbelten durcheinander. Jane hatte keine Energie, um über ihre Probleme zu grübeln. Es gab zu viele davon.
In der Hoffnung, sich ablenken zu können, schaltete sie den Fernseher ein. Das Nachrichtenprogramm war mit negativen Wirtschaftsmeldungen gespickt, die sich schlecht auf Larrys Wiederwahl auswirken würden. Deshalb suchte Jane den Sender aus San Francisco, den sie über eine spezielle Satellitenleitung empfangen konnte.
Als sie hörte, wie der Moderator vom Tod eines Ex-Häftlings berichtete, setzte Jane sich abrupt auf. Offenbar hatte sie das Ende der Lokalnachrichten erwischt.
"Der frühere Todeskandidat wurde von seinem Bruder James Broud tot in San Rafael in einem Hotel aufgefunden", sagte der Mann. "Die Todesursache ist unbekannt, aber die Polizei untersucht den Fall."
Jane drehte die Lautstärke hoch. Sprachen sie über William Broud? Er war tot? Was das bedeutete, mochte Jane sich kaum ausmalen. Ihr Nervensystem schaltete auf Alarmstufe rot.
Sie kramte in ihrer Tasche, fand das Handy und suchte unter den gespeicherten Einträgen nach Matties Nummer. Es war riskant, das Mobiltelefon zu benutzen, aber sie musste mit ihrer Freundin reden. Sie musste jemandem erzählen, was gerade passiert war.
19. KAPITEL
J ameson berührte sein Gesicht und warf dann einen Blick auf seine Finger. Die Stelle, an der Mattie Smith ihn geschnitten hatte, war heiß und empfindlich, aber sie blutete zum Glück nicht.
Über ihm schoben sich schwarze Wolken mit silbernen Rändern über die nachmittägliche Sonne. Das seltsame Wetter verbesserte Jamesons Gemütszustand nicht, während er die Golden Gate Bridge verließ und auf den Highway 131 fuhr, eine Abkürzung, die nach Tiburon führte. Er fuhr allerdings nicht nach Hause. Er war auf dem Weg zum anderen Ende der Halbinsel, zur Rowe-Akademie.
Wer zur Hölle war Mattie Smith? Eine mordende Verrückte, die nicht nur zu einem schändlichen Verbrechen fähig war, sondern gleich zu zweien?
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