Das Isaac-Quartett
nur an einen Fall gedacht.« Er murmelte Huberts Namen. »Er ist von einer Bande zusammengeschlagen worden. Die Kasse haben sie nicht angerührt. Da ist was faul.«
»Wahrscheinlich sind sie von der Jewish Defense League abgelehnt worden. Vielleicht ist Hubert nicht koscher genug.«
»Mach dich nicht lustig, Ida. Das sieht nicht nach jüdischen Teenagern aus. Einem alten Mann die Birne einzuschlagen!«
»Glaubst du, das ist was Besonderes? Schau dir mal meine Arme an.«
Er sah sich die blauen Flecken auf Idas Haut an, Daumenabdrücke, die braun wurden. Aus dem Kranz um jeden der Flecken konnte er ersehen, wie viel Druck ausgeübt worden war.
»Die gleiche Bande«, sagte sie. »Mich haben sie auch besucht. Sie haben Blintzen gestohlen, kein Geld.«
»Was haben sie sonst noch gemacht, Ida?«
»Die kleinen Kniffe. Einer packt meinen Arm, und der andere steckt seine Hand in meine Bluse.«
Der Chef verteilte seine Unterwäsche um das Bett herum.
»Wenn ich wieder da bin, Ida, finde ich diese Hand und hacke sie ab.«
Mit zwei Fingern strich Ida seine verkniffenen Lippen glatt. »Soll ich dir erzählen, wie viel Kunden schon versucht haben, eine Handvoll von mir zu erwischen?«
»Das waren keine Kunden«, sagte der Chef. Ida zog ihn an den Ohren. Sie massierte die zierlichen Knochen an seinem Hinterkopf. Isaac hätte seine Krawatte anziehen müssen. Ihm blieben keine zehn Minuten mehr. Sein Gesicht war in Idas Brüste vergraben. Der Koffer fiel vom Bett.
Isaac konnte seine alten Probleme nicht loswerden. Idas Geruch nach Milch brachte ihm Marilyn zurück nach Hause. Der Chef betrieb keinen Inzest im Bett. Er brachte die Mädchen nicht durcheinander. Doch Küsse konnten schmerzhaft sein. Es gelüstete ihn nach Idas Milch und dabei hatte er eine Tochter, die von Ehemann zu Ehemann zog und sich ihm nicht anvertrauen konnte.
2
Marilyn ernährte sich ausschließlich von Thunfischbrocken. Sie gab ihre Streifzüge erst auf, als Blue Eyes ihr versichern konnte, dass Isaac im Flugzeug nach Paris saß. Das Büro des First Dep hatte die Nachricht bestätigt: Isaac war um neunzehn Uhr an Bord gegangen. Sie hatte den ganzen Nachmittag mit Coen vertrödelt. Jetzt beobachtete sie, wie er den Kragen eines weißen Hemdes an seinem schönen Hals zuknöpfte. Zuletzt kam das Halfter. »Wart auf mich, Manfred. Ich geh mit.«
Coen hatte Isaacs Wagen übernommen. Blue Eyes hasste die Fahrerei. In den Hauseingängen spielte sich zu viel Aufregendes ab, Bettler sprangen auf die Straße, Hunde jagten Bussen nach oder krabbelten ihm unter die Räder, alte Frauen verloren mitten auf der Straße das Gedächtnis und lenkten den Blick eines Bullen vom Verkehr ab.
»Glaubst du, dass Isaac die gesamte französische Polizei einer Revision unterziehen wird?« Marilyn langweilte sich. Coen war nicht zum Quatschen aufgelegt. Sie musste ihn mit den Geheimnissen ihres Vaters aus der Reserve locken. »Dein Boss ist trickreich, Manfred. Mit den Kriminalbeamten da drüben hat er nichts im Sinn. Isaac ist hingefahren, um seinen Vater zu besuchen.«
Auf Coens Kinn bildeten sich Falten. Marilyn schämte sich ihrer Rohheit. Coens Vater hatte sich umgebracht. Vor zehn Jahren, als Blue Eyes gerade in Deutschland stationiert gewesen war, hatte Papa Coen sich für den Gashahn entschieden. Seitdem trug Coen sein trauriges Gesicht.
»Ich wusste nicht, dass Isaac einen Vater hat – einen Vater, der noch am Leben ist.«
»Es ist ihm peinlich. So peinlich wie ein Bruder im Gefängnis.«
Coen hatte gelernt, Isaacs kleinen Bruder nicht zu erwähnen. Leo war in der Crosby Street eingemauert, einem Bau, der dem alten Gefängnis vorübergehend angeschlossen war. Wegen ausstehender Alimente. Die ganze Polizei zuckte die Achseln über diese unwürdige Behandlung. Doch der First Dep war machtlos. Leo weigerte sich, das Gefängnis zu verlassen.
»Marilyn, was kann an einem Vater peinlich sein?«
»Er hat seine Familie schon vor Jahren verlassen. Isaac musste von der Schule abgehen. Hat er dir das nicht erzählt? Sein Vater war früher Millionär. Joel Sidel, der Pelzkragenkönig. Für einen lausigen Pinsel hat er alles hingeworfen. Er hatte eine lange Nase, wie Gauguin. Paris hielt er für das neue Tahiti. Er hat sich in den Kopf gesetzt, die Dschungel um die Sacré-Cœur zu malen.«
Pariser Dschungel sagten Coen nichts. »Warum besucht Isaac ihn ausgerechnet jetzt?«
»Weil seine Sterblichkeit ihn in jüngster Zeit erschreckt.« Coens eingefallene Wangen ließen
Weitere Kostenlose Bücher