Das Isaac-Quartett
Kleiderständer nutzen. Der Bandenführer war ein Gringo, wie Rupert. Er trug einen Strumpf über dem Gesicht. Er sah Rupert an, dass er ihr Tun verurteilte. »Was’n mit dir los, Bruder?«
»Nichts«, sagte Rupert.
»Warum schaust du mich dann so unfreundlich an?«
»Weil es mir besser gefiele, wenn ihr stehlt, was ihr braucht und dann nach Hause geht.«
Aus dem Fenster stiegen Jungen, bei denen es sich um Zwerge, Knirpse oder Lebewesen unter zehn Jahren handeln musste. Sie waren mehr als einen Kopf kleiner als Rupert und trugen ihre Bündel in einer Reihe, die im Schneegestöber endete. Die Reihe hätte sich über weite Straßenzüge fortsetzen können, so viel begriff Rupert. Der Bandenführer nahm einem der Zwerge seine Last ab und schleuderte sie auf Rupert. »Du musst ein Sohn reicher Leute sein«, sagte er. »Ein Muttersöhnchen. Vom Stehlen hast du keinen Schimmer.«
Rupert rannte um sein Leben. Gegen eine Armee von Zwergen hätte er nichts ausrichten können. Der Schnee war voller Hindernisse und gefährlicher Fallen. Er lief auf Glassplittern, knallte in die Dächer von überschwemmten Klos, glitt vom Kadaver eines erfrorenen Hundes ab. Mit wunder Nase erreichte er die Rivington Street. Konnte er jetzt Isaacs Tochter ermorden? Die Schneewehen auf der Straße bestätigten ihn in seinem Vorhaben. Der Sturm hatte für ihn gearbeitet. Er musste sich zu der Schneewehe gleich neben Isaacs Feuerleiter durcharbeiten. Ohne akrobatische Akte konnte er die unterste Sprosse der Leiter greifen.
Rupert, Esther und Stanley Chin hatten ganze Nachmittage damit vergeudet, das Fenster von dem gegenüberliegenden Dach aus auszuspionieren. Sie hatten beobachtet, wie Isaac Ida Stutz wie ein aufgedunsenes Seeungeheuer zerteilte, wie sich sein Polizistenarsch mit knappen, krummen Wellen über sie rollte. Eine solche Turbulenz kam ihnen lachhaft vor. Rupert hatte sich gefragt, wie sich sein Hintern benahm, wenn er auf Esther lag. Klatschte er durch die Luft, schwankte er höher und immer höher? Rupert war kein See-Elefant. Seine Stöße mussten süßer sein als die Isaacs des Reinen. Bevor Esther gestorben war, hatte er eine andere Frau in Isaacs Fenster gesehen. Das war Lady Marilyn. Er war allein gekommen, um sie durch das Wohnzimmer watscheln zu sehen oder sie zu beobachten, wenn sie mit einer Einkaufstasche nach Little Italy zog. Sie war ausgesprochen mager, hatte nicht den breiten Nacken ihres Vaters und auch nicht das Aussehen einer Blintzenkönigin.
Rupert stieg auf die Kuppe des Schneehügels. Er war mit Händen und Füßen auf der Leiter. Die Ellbogen bohrte er in seine Brust. Der Aufstieg war nicht leicht. Er musste den Abstand zwischen den Sprossen genau abmessen, weil er sonst von der Leiter gefallen wäre. In diesen Höhen konnte der Wind teuflisch sein; er biss sich in Ruperts Nase, peitschte ihn gegen die Stufen, je höher er kam. Mit Schnee am Kinn und eisigen Fingern erreichte er die Plattform vor Isaacs Fenster. Die Feuerleiter wackelte, als Rupert sich auf die Plattform kauerte. Das Schlafzimmerfenster war beschlagen. Rupert musste gegen die Scheibe blasen und das nasse, trübe Glas mit dem Ärmel über seinem Handgelenk reiben. Das Fenster wurde langsam durchsichtig: Durch den freigehauchten Fleck erkannte Rupert eine nackte Frau. Sie lag auf einem zerwühlten Bett; zur Hälfte schaute ihr Körper unter der Decke heraus. In einer solchen Ruhestellung hatte er noch kein menschliches Wesen gesehen. Isaacs kleines Mädchen, ohne eine Schramme im Gesicht. Nur die Größe ihrer Brüste und die Rundung ihrer Nippel hätten eine Warnung sein können, dass sie ausgewachsen war. Auf ihrer Stirn bildete sich eine Falte. Marilyn kratzte sich die Nase und die Falte war fort. Rupert war in Nöten. Dieser Busen erinnerte ihn an Esther. Die Form war die gleiche, auch eine leichte Anhebung unter den Armen. Rupert war kein Connaisseur von Frauenfleisch. Esther war seine einzige Freundin gewesen, die erste und die letzte. Doch Marilyns Titten brachten ihn zum Weinen. Sie konnten alle Sanftheit aus einem Jungen locken, wenn er nicht eine unwiderrufliche Mission gehabt hätte, Galle im Herzen von der Essex Street. Er würde sie mit geschlossenen Augen umbringen müssen.
Marilyn hatte geträumt, nicht von Blue Eyes, nicht von Isaac, nicht von ihrer Mutter Kathleen, sondern von Larry, ihrem ersten Ehemann, dem einzigen, den Isaac nicht ausgesucht hatte. Für die Tochter eines Polizeichefs war er nicht achtbar genug gewesen;
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