Das Isaac-Quartett
sie zusammen auf der Little Ship Street sahen? Was würden die alten Männer dann wohl denken?
Sie hielt sich mit Gerald Charwin ans Bewley’s Café. Aber sie konnte den alten Männern nicht entgehen. Es brauchte nur ein weiteres Treffen mit Gerald, um sie ins Bewley’s zu locken. Sie schwebten mit ihren gelben Zähnen über dem Tisch, rochen Erbsen, Würstchen und Pommes. Man hätte sie für ganz Stille halten können, Engel von der Straße, harmlose Onkel von Annie Powell, die nach einer Erbsenmahlzeit suchten: Sie trugen Altmännerpullover und Mützen. »Hübscher Tag heute«, murmelten sie immer wieder zu den Leuten an den Tischen. »Nett, nett.« Sie lümmelten hinter Gerald, alle vier.
»Kommst du mal kurz mit uns runter, Junge? Wir würden zu gern mal ein Wörtchen mit dir wechseln.«
»Er bedeutet mir nichts«, sagte Annie »Nur ein Mann im Café. Wir haben uns über Flüsse unterhalten. Lasst ihn in Ruhe.«
Sie packten ihn bei den Armen, lupften ihn von seinem Platz, donnerten ihn von einem Tisch in den anderen und entschuldigten sich dabei. »Tut uns leid … Essen Sie ruhig weiter Ihre Erbsen, und kümmern Sie sich nicht um uns.«
Sie schubsten ihn die Treppe hinunter und trugen ihn aus dem Café hinaus auf die Straße. Annie trommelte den alten Männern auf die Rücken. »Tut ihm nichts«, sagte sie. »Er ist ein Professor. Er macht Jonathan Swift wieder populär.«
Sie kümmerten sich nicht um sie. Die alten Männer trampelten auf Geralds Hut, boxten ihm in Nieren und Rippen, ließen ihn in den Rinnstein der Grafton Street fallen. Das Ganze dauerte keine Minute. Die Fischerleute wussten genau, wohin und wie sie einen Mann schlagen mussten, ohne auf sich aufmerksam zu machen. Annie konnte Gerald nicht aufhelfen. Die alten Männer packten sie an den Armen und schoben sie wortlos in Richtung Hotel. »Stell sich das mal einer vor«, spotteten sie und ihre Zungen lugten zwischen den gelben Zähnen hervor. »Das Mädchen des Königs besucht mit einem Gelehrten irische Kaffeehäuser. Annie Powell füßelt unterm Tisch. Sie ist ’ne ganz Kluge. Sie kann mit einem Burschen schlafen, ohne auch nur ein Kleidungsstück abzulegen …«
»Haltet doch eure blöden Fressen«, sagte sie. »Dermott wird euch bitter für das bezahlen lassen, was ihr mit Gerald gemacht habt.«
Sie kicherten unter ihren Altmännermützen. »Ach, Gerald heißt er? Das nennt man ja wohl Vertrautheit, wenn mich einer fragt. Bring uns nicht zum Lachen, Annie Powell. Der König würde dich für diese Spielchen mit deinen Geralds grün und blau prügeln.«
Sie konnten sie nicht im Hotel einsperren. Die Wachhunde stellten sich ziemlich blöd an, wenn es darum ging, ihr auf der Straße zu folgen. Sie konnte in einer Seitengasse verschwinden, bevor sie Gelegenheit hatten, einmal tief Luft zu holen. Sie schlich nicht wieder ins Bewley’s. Sie schämte sich. Wie hätte sie Gerald denn erklären können, dass ihr Mann ein Gangster war, der zufällig James Joyce mochte und vier Idioten hatte, die einem wegen des Verbrechens, mit Annie Powell Kaffee zu trinken, gleich die Nieren zerdroschen?
Sie verschwand in den Pubs auf der Duke Street. Im Bailey oder dem anderen Pub auf der gegenüberliegenden Straßenseite, mit den Markisen vorm Fenster. Sie musste lachen. Das Bailey hatte die Tür aus Mr. Leopold Blooms Haus in der Eccles Street geklaut. Sie stellten sie nun in einem eigenen Raum aus. Die Tür hatte einen ägyptischen Türklopfer. Damit konnte sie ihren Mann überraschen. Annie begriff ein, zwei Dinge über Mr. James Joyce. Das Bailey und Leopold Bloom. Eine Touristenattraktion. Kommen Sie herein, trinken Sie einen Irish Coffee mit Leopolds Haustür. Das Pub war tief genug für Annie Powell. Hier konnte sie sich vor dem Sonnenschein draußen verstecken. Gegen fünf Uhr war das Bailey gesteckt voll. Junge Angestellte aus der Dame Street kamen herein und tranken ihre Humpen und Pints und Wodkas und Pink Gins und mit ihren glatten Leibern und gestärkten Manschetten schubsten sie Annie fast von ihrem Platz. Sie waren ein freundlicher Haufen. Sie füllten sie mit dem besten irischen Whiskey ab und schoben ihr die Hände unter den Rock. Annie war es egal, wie sie hießen. Jack oder Mick oder Frenchy Pete. Sie begleitete keinen von ihnen nach Hause. Um halb zehn verabschiedete sie sich und wankte von Tür zu Tür, bis sie ihr Hotel erreichte.
So war Dublin ohne den König. Nachmittage im Bailey, wo sie sich vor Cootes alten Männern
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