Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Jahr der Woelfe

Das Jahr der Woelfe

Titel: Das Jahr der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
Vom Netzwerk:
Konrad warf sich zu Boden. Auch Vater duckte sich. Die Warczak trat aus dem Haus. Konrad schüttelte sich den Schnee von den Kleidern.
    »Wir brechen noch heute auf, Bienmann«, rief sie.
    »Wann geht es bei euch los?«
    »Morgen früh, wenn wir den Vater beerdigt haben.«
    »Na, hoffentlich hält die Front bis dahin.«
    »Wird sie schon, Frau Warczak. Und alles Gute.«
    Die Kinder zogen nur Jacken und Schuhe aus, als sie am Abend ins Bett gingen. Zwar war kein Geschoss mehr im Dorf niedergegangen, aber in der Ferne bellte während der Nacht immer wieder ein Maschinengewehr.
    Vater verließ noch spät das Haus, lief zum Friedhof hinüber und hackte ein Grabloch in die gefrorene Erde. Heiß und vom Husten geschüttelt, kehrte er erst nach Mitternacht zurück.

12
    Es war die erbärmlichste Beerdigung, die je durchs Dorf gezogen war, als sie Großvater im ersten Licht hinaustrugen. Vater ging voran. Mutter und Konrad hielten das breite Bett hinten. Kein Priester begleitete sie. Albert trottete mit gefalteten Händen mit. Hedwig trug Franz auf dem Arm. »Betet, Kinder«, flüsterte Mutter. Still und hastig betraten sie den Friedhof. Neben die Grube stellten sie das Bett auf die gefrorenen Schollen.
    Vater betete laut: »Herr, aus Staub hast du seinen Leib erschaffen, zu Staub kehrt er wieder zurück. Seine Seele aber nimm zu dir, Herr, in dein Reich.«
    »Amen.«
    »Das ewige Licht leuchte ihm bei deinen Heiligen in Ewigkeit.«
    »Amen.«
    Einen Augenblick verharrten sie noch. Hedwig weinte ein wenig. Schließlich befahl Vater: »Schaut euch nicht mehr um und geht.«
    Die Granaten pfiffen hoch über sie hinweg und ließen die Luft erzittern. Am Haus holte Vater sie ein.
    »Was ist dort los?«, fragte Hedwig und deutete auf die Stalltür. Sperrangelweit stand sie offen.
    Konrad lief in den Stall, kehrte aber sofort wieder zurück. »Die Kühe sind fort. Alle vier Kühe.«
    »Auch beschlagnahmt?«, rief Vater, dachte eine Weile nach und sagte dann: »Du, Konrad, spannst Lotter vor den Wagen. Ihr anderen packt Betten, Kleider, Vorräte ein. Ich sehe nach den Kühen.«
    »Was willst du mit den Kühen?«, fragte Mutter müde.
    »Wir werden in einigen Tagen zurückkehren. Was wird dann aus uns, wenn wir ohne Kühe sind?«
    »Wir können sie doch nicht mitnehmen, Johannes.«
    Aber Vater ließ sich nicht umstimmen. Er holte das Fahrrad und fuhr vorsichtig über den vereisten Weg.
    Konrad war noch nicht mit dem Anspannen fertig, als er das Gebrumm der Rotbraunen hörte. Vater trieb die Kühe zurück, alle vier. »Was nun?«, fragte die Mutter.
    »Ich habe sie aus der Herde herausgeholt. Vom Gut haben sie alle Kühe genommen. Sogar die, die jeden Tag kalben können.«
    »Janosch!«, rief Konrad. »Janosch bleibt im Dorf. Bring doch die Kühe zu Janosch. Der wird sie bestimmt versorgen.«
    »Gut, Junge. Das ist eine Lösung. Treibe sie hinüber und bitte Janosch, sie für ein paar Tage in Pflege zu nehmen.«
    Konrad nahm einen Stecken und zog davon. Janosch war nicht zu finden. Da band Konrad die Kühe an leere Plätze, warf ihnen einen Berg Heu vor und verließ den Stall. Janosch saß auf der verschneiten Bank.
    »Eure Kühe, Jungchen?«
    »Ja.«
    »Sag deinem Vater, ich werde für sie sorgen. Immer.«
    »Nur ein paar Tage, Janosch, bis wir zurück sind.«
    »Lauf zu, Jungchen.« Ein Lächeln zuckte um seinen Mund, ein Lächeln, das wusste, wie lange die »paar Tage« sein mochten, wie lange …
    Die Mutter war in den Wagen gestiegen und ordnete das Bettzeug auf der Truhe, in die sie die guten Kleider gepackt hatte. Albert trug eine Holzkiste herbei.
    »Was ist das?«, fragte Hedwig.
    »Mein kleiner Nikolai.«
    Konrad öffnete das Hofgatter. Da schlug sie ein. Kein Pfeifen hatte sie angekündigt. Ein harter, trockener Knall schoss in die Ohren. Die Spitze der Giebelwand stürzte ein. Vater riss an Lotters Zaun. Das Pferd sank in die Knie, sprang dann zitternd auf, stampfte wild auf der Stelle und schüttelte die Mähne. Mutter kletterte blass vom Wagen. Die Kinder drängten sich um sie.
    »Was ist? Ist euch etwas zugestoßen?«, rief Vater, der nicht vom Pferd weg konnte. Mutter schüttelte den Kopf.
    »Einsteigen! Wir fahren los.«
    Wieder schlug es ein. Weiter weg, diesmal. Sie sprangen in den Wagen. Vater lief neben dem Pferd und führte es. Sie waren nicht weit vom Dorf, da rief Hedwig: »Bei Nowaks brennt’s.« Vater hielt an. Alle schauten zum Dorf hinüber. Schwarz wälzte sich der Qualm aus dem Dach des großen

Weitere Kostenlose Bücher