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Das Jahr der Woelfe

Das Jahr der Woelfe

Titel: Das Jahr der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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nackte Sohle gebohrt hatte. Erst hatte er nur den kleinen zuckenden Stich gespürt; doch der wuchs bis zum Abend zu wühlendem Schmerz. Großvater hatte ihn schließlich mit sicherer Hand herausgezogen.
    Vom Kellereingang her wurde es hell.
    Mutter kam allein.
    »Wann wird er zurück sein?«, fragte Konrad.
    »Gegen sechs Uhr in der Frühe, denke ich.« Sie rieb die rot gefrorenen Hände. »Es ist sehr weit bis Leschinen. Wir wollen schlafen«, sagte sie. »Es wird morgen ein harter Tag.«
    Sie half Albert, der seinen Pullover nicht über den Kopf bekam, und breitete Decken über ihre Kinder.
    »Vergesst nicht zu beten, hört ihr?«
    Sie hätte nicht zu mahnen brauchen. Die Geschütze und ihre dröhnenden Geschosse riefen lauter zum Gebet als jedes Glockengeläute. Sie blies die Kerzen aus und drehten den Docht der Lampe so niedrig, dass die Flamme zu einem winzigen Stern zusammenkroch. Aus der Dunkelheit wuchs der Widerschein der Flammen aus jeder Ritze des Herdes. Die Eisenplatte glühte hell wie eine rote Herbstsonne.
    Die Mutter legte einen dicken Holzkloben nach. Dann hörte Konrad das Knistern des Strohs und das Rascheln der Kleider und Decken. Endlich legte sie sich nieder. Albert neben ihm schlief fest und wärmte ihm den Rücken. Konrad starrte mit offenen Augen in das Spiel des Feuers, sah, wie es zuckte und blitzschnell Drachen und Kobolde an Wände und Decken malte, sie einen Augenblick tanzen ließ und wegwischte, wie der Wind die Wellenbilder im Fluss verwehte. Konrad fror, obwohl er dick zugedeckt war und der Herd die Kälte der Nacht aussperrte.
    Die Mutter lag unruhig. Einmal war es dem Jungen, als hörte er sie leise seufzen.
    »Mutter?« Das Rascheln des Strohs hörte plötzlich auf. »Mutter, ist etwas?«
    »Nein, Junge. Schlaf nur.«
    Er blieb ganz still. »Mutter, mich friert. Ich fürchte mich.«
    »Komm zu mir, Junge.«
    Konrad huschte hinüber. Sie zog ihm die dicke, raue Pferdedecke über den Leib. Er streckte seine Hand aus und legte sie auf ihren Arm. So lagen sie eine ganze Zeit. Die Flammen spielten ruhiger. Die Mutter atmete flach und kurz.
    Ihr war oft nicht gut in letzter Zeit. Es musste mit dem neuen Kind zusammenhängen, das sie erwartete.
    Konrad war jetzt warm und schläfrig. Das Feuer glühte rot und ruhig. Er blickte auf den Widerschein des Feuers auf der Wand und glitt unmerklich in den Schlaf.
    Erst das Geklapper der Ofenplatte weckte ihn. Die Morgenkälte war in den Keller gekrochen. Mutter schürte die Glut und blies kleine Flammen aus der Asche.
    »Wo ist Vater?«, war Konrads erste Frage.
    Sie wandte sich zu ihm und legte den Finger auf den Mund. Ihr Gesicht war übernächtigt, blass. Graue Halbmonde lagen unter ihren Augen. Da wusste er es: Vater war nicht wiedergekommen.
    »Und Hubertus?«, fragte er leiser.
    »Sie werden schon noch kommen, Junge«, tröstete sie ihn, als sie seine Furcht spürte. »Zieh dich schnell an, melk die Kuh und füttere Lotter.«
    Sie hantierte am Ofen.
    »Wir Bienmannsfrauen haben unsere Last mit den Männern«, sagte sie mehr zu sich selbst. »Johannes’ Großvater, der Karl Bienmann, der hat Haus und Hof versoffen und verspielt und sich in die USA davongemacht. Seine junge Frau hat er mit ihrem kleinen Sohn sitzen lassen. Verschollen ist der Karl. Der Lukas Bienmann, sein Sohn, hat ihn in Amerika gesucht. Die Frau hat sehen müssen, wie sie allein durchkam.«
    »So etwas macht Vater nicht«, sagte Konrad bestimmt.
    »Aber leichtsinnig genug ist er, um noch einmal nach Leschinen zu fahren.«

16
    Konrads Zähne schlugen hart gegeneinander, als er den Keller verließ. Scharf blies der Wind. Er drang durch seine dicke Jacke und jagte die Bettwärme hinaus. Aber es war kein Eiswind. Der Junge griff in den pappigen Schnee und rieb sich Gesicht und Hände. Das machte ihn heiß. Lotter beugte den Hals, als er ihn hörte. Konrad ließ Hafer in den Eimer rasseln. Ein wenig mehr als sonst.
    »Hast schwere Tage, Lotter. Da, ein gutes Maß für dich.«
    Der Kuh reichte er auch ein paar Körner, die sie mit der feuchten, rauen Zunge aus seiner flachen Hand leckte. Er molk sie. Der Eimer wurde nicht halb voll.
    »Ich muss dich losbinden, Braune. Lauf nur zu.«
    Er gab ihr einen Klaps. Zögernd erst, doch dann schneller und schneller lief sie vom Gehöft weg über das weite Feld in die Richtung des Geschossdonners. Der Junge blickte ihr nach, bis ihr hochgestreckter Schwanz hinter dem Hügel verschwand. Drei schwarze Krähen ruderten dem Wald zu und ihre

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