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Das Jahr der Woelfe

Das Jahr der Woelfe

Titel: Das Jahr der Woelfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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am Ende der Dorfstraße angelangt. Vater zog die Zügel an. Der Wagen stand. Die Mutter schaute hinaus. Wagen an Wagen rollte vorbei, zweispännig, einspännig. Die meisten schwerer bepackt als der ihre.
    »Schau«, rief Konrad, »sie haben ein Schwein mit.«
    Wirklich grunzte in einem Lattenverschlag ein Läuferschwein und scheuerte sich den Rücken. Ein kleines Mädchen saß allein auf dem nächsten Wagen. Das magere braune Pferd wurde von einem bärtigen Greis geführt.
    »Sieh, dort, sie hat einen Vogelbauer auf dem Schoß!«
    »Man soll es nicht glauben, Agnes, wie viel unnützer Plunder aufgeladen worden ist«, brummte der Vater.
    »Sie hängen daran, Johannes.«
    »Voll geladen, bis die Achsen sich biegen. Das geht nicht gut«, murrte der Vater.
    »Ein Küchenschrank sogar«, staunte Albert.
    Eine Lücke tat sich in der Wagenreihe auf.
    »Hoh, zieh an!«, rief der Vater.
    Lotter legte sich ins Geschirr. Der Wagen ruckte.
    »Achtzehn Wagen sind vor uns«, rief Konrad.
    Die Wagengruppe hinter ihnen kam langsam auf.
    »Warum fährst du nicht schneller, Vater?«, schrie Albert nach vorn.
    »Das geht nicht, Junge, wir sind dichtauf.«
    »Vorbei, Vater, an der Seite vorbei. Lotter rennt ihnen allen davon.«
    »Lotter ist stark«, krähte Franz.
    »Du könntest es wirklich versuchen, Vater«, meinte Konrad.
    Statt einer Antwort wies Vater mit der Hand nach vorn und fragte: »Und was dann?«
    Eine Lastwagenkolonne kam ihnen schnell entgegen. Breite Wagen. Sie mussten scharf an der rechten Seite fahren. Die ersten brummten vorbei. Albert blickte ihnen durch den Spalt der Plane nach. Das Zweiergespann mit dem langen Leiterwagen hatte sie eingeholt.
    »Guten Morgen«, rief Albert.
    Die junge Frau, die die Zügel hielt, schaute mürrisch auf. Weiter hinten folgte ein Kastenwagen. Ein weißhaariger alter Bauer lenkte das Pferd. Neben ihm hockte seine Frau, klein, zusammengekauert. Der Wagen war nur halb bepackt. In aller Eile schienen sie aufgebrochen zu sein.
    »Vater«, begann Hedwig gegen Mittag, »wir fahren nun schon einen halben Tag, aber das Schießen hört nicht auf. Es ist sogar lauter geworden, Vater«, fuhr sie fort, als sie keine Antwort erhielt.
    »Hörst du nicht, Johannes?«, forschte die Mutter.
    »Doch, Agnes. Sie kommen uns nicht nach. Sie wollen uns von der Seite umfassen. Vielleicht fahren wir nur die Front entlang und entfernen uns kaum von ihr.«
    »Warum biegen wir nicht ab, Vater, auf Danzig zu?«, schaltete sich Konrad ein.
    »Sobald wir es können, Junge, biegen wir nach Westen ab. Aber die Russen versperren uns den Weg«, brummte er.
    Sie fuhren nun in einer Schlange, deren Kopf nicht mehr zu sehen war und deren Schwanz sich irgendwo in der Ferne verlor. Wagen an Wagen. Unübersehbar.
    Gegen drei Uhr stockte der Zug. An der rechten Straßenseite erstreckte sich weit das weiße Feld. Links ragte hoher Fichtenwald auf. Dahinter grollten die Geschütze. Von vorn sprang die Nachricht herüber, dass ein Wagen gebrochen wäre und den Weg versperrte.
    »Hoffentlich dauert es nicht lange, bis er wieder in Stand gesetzt ist«, wünschte Konrad.
    »Es wird nicht lange dauern«, sagte der Vater bitter. Heiseres Hundegekläff klang auf.
    »Kommt«, rief Konrad in den Wagen, »sie jagen.«
    Da hetzten sie heran, drei, vier große Hunde. Vorneweg ein struppiger, schwarzer Köter.
    »Was jagen sie?«, wollte Albert wissen und kletterte zu Konrad auf den Bock.
    »Ein Karnickel«, erkannte Hedwig.
    Das kleine Tier huschte über die Schneedecke, die Ohren straff zurückgelegt. Jedes Mal, wenn die Hunde ihm dicht hinter dem Stummelschwanz waren, schlug es einen Haken und gewann ein paar Meter.
    »Das ist lustig.« Albert klatschte in die Hände.
    »Wenn sie es erreichen, zerreißen sie es«, flüsterte Hedwig.
    Das Gekläff wurde leiser. Die Tiere waren weit im Feld zu schwarzen Punkten zusammengeschmolzen, da schlug das Karnickel noch einmal einen scharfen Haken. Die wilde Jagd näherte sich wieder den Wagen. Im Halbkreis hechelten die Hunde und hetzten das Tier. »Wie wir«, flüsterte Hedwig. Ein dunkler Gedanke kam ihr in den Sinn. »Wenn sie es nicht fangen, dann kommen wir durch.« Bang hingen ihre Augen an dem kleinen Langohr, das geradewegs auf ihren Wagen zulief. Noch dreißig Meter ungefähr. Die Hunde, die außen jagten, hatten die Straße schon fast erreicht. Ein Haken wurde sinnlos.
    Ein schwerer, zottiger Hund streckte seinen Körper lang. Noch wenige Sprünge, dann würde er es fassen. Hedwigs Hände

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