Das Jahrhundert der Hexen: Roman
hätte sowieso keine andere Wahl. Ich würde sowieso verbrannt …«
»Die Jagd auf die nicht initiierten Hexen geht los. Auf die tauben. Sie hat gelogen, um dich mit dieser Lüge zu kaufen.«
»Dann hat sie gesagt … sie werde mir erzählen, wie die Registrierung abläuft. Ich würde nackt ausgezogen, erst der Körper, dann … die Seele. Der Inquisitor …«
»Jetzt atme erst mal tief durch.«
»Der würde mit seinen ungewaschenen Händen in mir rumwühlen … in meiner Seele … eine Papierfabrik und väterliche Aufsicht … durch die Inquisition … würden auf mich warten … Aufsicht, das halte ich nicht aus! Seit ich klein war, quält mich der Albtraum, ich sei im Gefängnis!«
Sie lag eingerollt auf dem Sofa, während er neben ihr saß, die Hand auf ihren roten Hinterkopf gelegt. Ob dies das Füchslein aus seiner Kindheit war? Ob es vielleicht eine kleine Füchsin sein mochte? Die jetzt wiedergeboren war – in der Hülle einer rothaarigen jungen Frau? Mit dem Nachnamen Lys, Fuchs. Ywha Lys.
»Niemand wird dir zu nahe treten.«
»Wirklich nicht?«
Sollte er jetzt seine kindliche Hilflosigkeit wettmachen? Wie oft hatte er in Gedanken den Käfig aufgebrochen, den Roten in den Wald gebracht, ihn freigelassen? Aber das hier war kein Füchslein. Sondern ein Mensch. Und wirklich kein schlechter.
Er beugte sich über sie, um sie zu umarmen. Behutsam drückte er sie an sich, konzentrierte sich und versuchte, sie mit seiner Ruhe einzuhüllen. Die Spannung in ihr zu lösen.
»Aber man wird mich doch nicht … mit Gewalt initiieren?«
»Nein. Niemals.«
»Wovor habe ich dann eigentlich Angst?«, fragte sie mit einem nervösen und gleichzeitig erleichterten Lachen.
»Alles wird gut werden.«
»Und Nasar …« Der Name war ihr offenbar gegen ihren Willen entschlüpft. Plötzlich hörte sie auf zu zittern. Reglos schaute sie Klaw so tief in die Augen, wie sie konnte. »Nasar … wird mich … doch nicht verlassen?«
Kurz spielte er mit dem Gedanken, sie anzulügen. Doch da legte sie ihm rasch und entschlossen die Hand vor den Mund. »Sie brauchen nicht zu antworten.« Verlegen zog sie die Hand weg und blickte nach unten.
»Erzähl mir doch mal«, sagte er, um sie von den quälenden Gedanken abzulenken, »woher du eigentlich kommst. Wo hast du früher gelebt?«
Lange brachte sie kein Wort heraus. Klawdi rückte leicht von ihr ab, ließ die Hand jedoch auf ihrem Kopf ruhen.
»Aus einem Dorf. Tischka. Im Kreis Rydna.«
Es waren drei Jungen und vier Mädchen. Ein fünftes kniete da, weil sein dicker roter Zopf fest in der verschrammten Hand eines der Jungen lag.
»Das ist ein Muttermal.«
»Idiotin! Das ist ein Hexenzeichen! In einem Muttermal muss ein Haar wachsen, aber hier ist keins!«
»Lass mich mal sehen! Mach schon!«
»Ihr Schakale«, presste das Mädchen weinend hervor. »Ihr dreckigen Schweine! Fettwänste! Hundescheißer!«
Der Junge, der sie bei den Haaren gepackt hielt, bleckte die Zähne und riss an ihrem Zopf. Das Mädchen atmete scharf ein, gab aber keinen Ton von sich.
Das Kleid war auf dem Rücken vom Hals bis zur Taille aufgeknöpft. Ohne viel Federlesens hatten ihre Peiniger das kurze Unterhemd hochgeschoben.
»Wenn man Feuer an das Hexenzeichen hält, tut es nicht weh«, erklärte der kleinste Junge, ein pausbäckiger Brillenträger.
»Verkackte Schweinehunde!«
»Halt die Schnauze, Hexe! Ist das das Zeichen?«
»Das ist ein blauer Fleck. Das hier ist das Zeichen, neben dem Schulterblatt.«
»Na dann mal los.«
Ein Streichholz knisterte. Wimmernd trat das Mädchen nach seinen Peinigern.
Ywha zitterte.
»Diese Tiere«, kommentierte der Inquisitor.
Ywha versuchte, ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie hatte vergessen, all das vergessen, sie hatte längst verlernt, diese Geschichte zu erzählen, sich daran zu erinnern – und jetzt stand das Bild so deutlich vor ihr. Sie sah die zerbrochene Kiste auf dem Hinterhof der Schule. Mit dem Nagel, der daraus hervorragte. Das von ihren Füßen zertrampelte Gras. Die kalte, harte Erde unter ihrer Wange.
»Es sind Tiere, etwas anderes …«
»Stimmt das denn?«, fragte Ywha kläglich. »Ist das das Zeichen?«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Viele Mädchen kommen mit einem Kennzeichen am Körper auf die Welt. Manche behalten es ihr ganzes Leben, dann ist es ein Muttermal. Wenn es jedoch während der Pubertät verschwindet … und es ist doch verschwunden, oder?«
»Ja.«
»Dann ist es ein Zeichen. Ein
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