Das Janus-Monster
den Kopf wieder an. »Ich mag ihn«, gab sie dann mit leiser Stimme zu.
»Beruflich, weil er ein guter Chef war? Oder privat?«
Akina errötete. »Es trifft beides zu.«
Suko lächelte. »Dann hatten Sie beide ein Verhältnis, könnte ich mir denken?«
Sie nickte.
»Bitte, Akina, das ist doch nicht schlimm. Das passiert jeden Tag und überall.«
Sie krampfte ihre Hände um den Rand der Theke. »Ja, das weiß ich alles, aber ich schäme mich trotzdem. Wenn das die anderen Mitarbeiter erfahren…«
»Von uns nicht.«
Jetzt schaute sie uns wieder an. »Ja, ich vertraue Ihnen.«
»Gut, dann werden Sie uns sicherlich auch weiterhelfen. Wenn Sie Hono Nagato sehr nahe standen, dann wissen Sie auch einiges über sein Privatleben.«
»Er war nicht verheiratet«, sagte sie schnell.
»Das haben wir nicht gemeint. Wir dachten eher an die Zeit, die er nicht hier im Betrieb verbracht hat.«
»Das Lokal gehört ihm nicht.«
»Wem denn?«
»Einer Firma, die ihren Sitz in Tokio hat. Es befindet sich nicht nur dieses Restaurant in ihrem Besitz. Die Firma ist weltweit vertreten. In Asien, in Europa und…«
»Wie heißt sie denn?« fragte ich.
»Nippon Food!«
Damit konnten weder Suko noch ich etwas anfangen. So kam Suko wieder auf den Verschwundenen zurück. »Ich möchte noch einmal nach dem Privatleben fragen. Hono Nagato hatte sich doch nicht nur um die Firma gekümmert, denke ich.«
»Das stimmt schon.«
»Gut. Was tat er denn in seiner Freizeit?«
»Das kann ich nicht sagen.«
»Waren Sie nie mit ihm zusammen?«
»Recht wenig«, gab sie zu. »Er hat auch nur ein Zimmer hier in der Nähe. Außerdem ist er hin und wieder auf Reisen gewesen. Stets allein.«
»Wohin fuhr er?«
Akina hob die Schultern an. »Das hat er mir nie gesagt! Einmal habe ich ihn gefragt. Da hat er mich mit einem schon tödlichen Blick angeschaut. Ich habe Angst bekommen und mich entschlossen, nie wieder eine derartige Frage zu stellen.« Im nachhinein erwischte sie noch ein Schauer, und sie schüttelte sich.
»Passierte das öfter oder regelmäßig?« fragte ich.
»Nein und ja. Manchmal war er zweimal im Monat weg. Dann wiederum geschah wochenlang nichts.«
»Wann ist er denn zum letzten Mal verschwunden gewesen?« wollte ich wissen.
»Heute!«
Ich beugte mich vor. »Bitte? Habe ich richtig gehört? Sie haben heute gesagt?«
»Ja. Am Nachmittag und am Abend. Als er zurückkehrte, waren ihre beiden Frauen schon hier. Das können sie bestätigen.«
»Sie wissen natürlich nicht, wo Ihr Chef in der Zwischenzeit gewesen ist?«
»Nein, das ist mir unbekannt. Er ist auch nicht sehr lange geblieben. Es war kaum der Rede wert.«
»Hat er etwas gesagt, als er kam?«
»Nein, er war wie immer.«
»Wie denn?« fragte Suko.
»Recht schweigsam. Trotzdem machte er auf mich einen zufriedenen Eindruck.« Sie schickte uns einen seufzenden Laut entgegen. »Ich kann Ihnen wirklich nicht viel sagen. Wir haben uns hin und wieder geliebt, das ist alles.«
Suko gab nicht auf. »Hatte er denn Freunde? Wenn ja, kennen Sie einige von ihnen?«
»Nicht persönlich. Er hat manchmal telefoniert, doch es sind dabei nie Namen gefallen. Hono hat schon ein sehr eigenes Leben geführt, und mich hat es nicht gestört. Ich bin immer sehr gut von ihm behandelt worden.«
»Aber sein Büro kennen Sie?«
»Natürlich.« Sie nickte mir zu. »Das kennen alle Mitarbeiter hier bei uns.«
»Auch den Spiegel?«
»Ja«, gab sie leise zu. »Auch den Spiegel. Er ist einfach etwas Wunderbares, und Hono ist auch sehr stolz darauf gewesen, sein Besitzer zu sein.«
»Dann muss er etwas Besonderes sein.«
»Ist er auch«, sagte Akina.
»Wissen Sie denn, woher er ihn hat?«
»Nein, aber er muss sehr alt sein. Das jedenfalls habe ich mal von Hono gehört.«
»Es ist ein japanischer Spiegel«, sagte Suko.
»Sicher, das weiß ich. Hono hat ihn aus seiner Heimat mit nach London gebracht.«
»Ist Ihnen an diesem Spiegel mal etwas aufgefallen?« fragte ich. »Eine Veränderung, zum Beispiel?«
»Wie meinen Sie das?«
»Hat er mal anders ausgesehen als normal? So etwas kann ja passieren. Hat sich seine Fläche verändert? Ist sie dunkler oder grauer geworden?«
Akina brauchte nicht lange zu überlegen. »Nein, niemals. Ich habe mich auch nie so recht um ihn gekümmert.«
»Warum nicht?«
Die junge Frau überlegte. »Wie soll ich das sagen? Auch wenn Hono von ihm begeistert war und ihn als sein Prunkstück anerkannte, ich bin es nicht gewesen. Ich konnte damit nicht viel
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