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Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)

Titel: Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Jack Cohen , Ian Stewart
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Hypothese beginnen, etwa Newtons Gesetz von der Gravitation. Dann stellen wir einige Berechnungen an, um zu sehen, ob Beispiele in unsere Hypothese passen. Wenn alles gut geht, nennen wir es eine Theorie und erproben diese an vielen anderen Beispielen. In dem Maß, wie solche Beispiele immer umfassender werden – von dem berühmten Apfel bis zum Mond, zu Planetenbahnen, dann zur Entdeckung, dass große, schwere Kugeln sich im Labor ganz schwach anziehen und dass Galaxien über riesige Entfernungen hinweg Gravitationswirkungen aufeinander auszuüben scheinen –, können wir die Theorie schließlich in den Rang eines Gesetzes erheben.
    Das bringt uns zurück zum Large Hadron Collider und seiner aufsehenerregenden Entdeckung des Higgs-Bosons, eines lange gesuchten Elementarteilchens, das die Massen der anderen 16 Teilchen im »Standardmodell« der Teilchenphysik in Ordnung bringt. Was einst eine wilde Vermutung war, ist nun zu einer respektablen orthodoxen Theorie geworden, und das Standardmodell hat einen riesigen Sprung auf dem Weg zu einem Naturgesetz zurückgelegt. Es hat diesen Status jedoch noch nicht erreicht, weil der gegenwärtige Wissensstand einige Alternativen offenlässt.
    Ende 2011 war das Higgs bei optimistischer Betrachtung gerade einmal zu sehen, ein statistisch insignifikanter Huckel in einer Kurve bei einer Energie von etwas 125 GeV. Bis Mitte 2012 hatte derselbe Huckel eine Fünf-Sigma-Signifikanz erlangt, was heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass er auf einem Fehler beruhte, betrug weniger als eins zu zwei Millionen. Am 4. Juli 2012 verkündete das CERN , das europäische Laboratorium, welches den LHC verwaltet und betreibt, dass das Higgs-Teilchen existiert.
    Nun ja: ein Higgs-Teilchen. Higgs-ähnlich. Irgendwie higgsig. (Eine »Supersymmetrie« genannte Theorie, die derzeit unter mathematischen Physikern populär ist, sagt mindestens fünf Higgs-Teilchen voraus. Vielleicht ist dieses nur das erste davon.) Die Beobachtungen passten zum vorhergesagten Verhalten des Higgs, eines spezifischen theoretischen Konstrukts; aber einige grundlegende Eigenschaften des tatsächlichen Teilchens sind noch nicht gemessen worden. Niemand kann sicher sein, dass diese ebenfalls passen werden, bis geeignete Daten gesammelt worden sind. Aber nun wissen die Physiker, wo sie suchen müssen.
    Wie zu erwarten bestanden die Journalisten darauf, das Higgs als das Gottesteilchen zu bezeichnen, ohne einen vernünftigeren Grund als sensationelle Schlagzeilen dafür zu haben. Der Name stammt von dem Buch Das Gottesteilchen. Wenn das Universum die Antwort ist, was ist die Frage? des Physikers und Nobelpreisträgers Leon Ledermann. Er wollte das Higgs eigentlich »das gottverdammte Teilchen« nennen, weil es so viel Scherereien bereitete. Sein Verleger brachte Gott ins Spiel.
    Das ist immer eine gefährliche Taktik. Vermutlich ist es der Grund, warum Menschen mit religiösen Zielen sich einbilden, es gebe eine Verbindung zwischen dem Higgs und ihrem Konzept von Gott – ebenso wie sich zuvor einige einbildeten, Stephen Hawkings Formulierung »Gottes Plan« in Eine kurze Geschichte der Zeit sei eine theologische Aussage statt einer Metapher. Es muss wohl der Name »das Gottesteilchen« gewesen sein, der einen hoffnungsvollen Türschwellen-Missionar zu der Behauptung inspirierte (wie im New Scientist gemeldet), dass die Wissenschaftler inzwischen an Gott glaubten. Der von dem Missionar genannte Grund – »Sie haben Ihn im Großen Hadronen-Kaleidoskop gefunden« – sagt unwillkürlich alles.
    Das mit dem »Kaleidoskop« ist natürlich betrüblich, aber dieser Versprecher verblasst gegenüber der Behauptung, die Wissenschaftler glaubten jetzt an Gott, weil sie das Higgs beobachtet hätten. Ebenso gut könnte man das Photon anführen, um zu beweisen, sie seien erleuchtet worden.
    Ian als Mathematiker mag den Standardmodell-Kuchen mit Higgs-Creme ganz gern, obwohl es ihm noch lieber gewesen wäre, das Higgs hätte sich als inexistent erwiesen, wie es Hawking einst vorhersagte. Das wäre viel aufregender gewesen. Jack als Biologe hat mehr Bedenken. Ihn bekümmert, dass das Beweismaterial für alle Elementarteilchen auf spezifischen Interpretationen der Daten beruht und der Art, wie sie gewonnen werden. Es ist nicht leicht, ein neues Teilchen zu beobachten: Man schaut nicht einfach hin und sieht es wie früher. Insbesondere findet man das Higgs anhand der Gesellschaft, in der es sich bewegt. Es bleibt nicht lange genug da, um selbst

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