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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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Er wollte laut schreien, doch das Klebeband ließ nicht den kleinsten Laut zu. Trotz der Kälte auf seiner nackten Haut brach ihm in Strömen der Schweiß aus.
    Hilflos hielt er sich schützend die Hände vor sein Gesicht und versuchte, seinen Oberkörper aufzurichten. Doch der Geschwindigkeit, mit der er weiter und weiter mit dem Unterleib über die Steine gezerrt wurde, hatte er nichts entgegenzusetzen.
    Irgendeine Flüssigkeit drang in seine Mundhöhle ein. Er fühlte, dass sie breiig war, und glaubte, er habe erbrochen. Mit der Zunge bildete er eine Vertiefung, um die gallertartige Masse zu sammeln und die Kehle frei zu bekommen. Er rang nach Luft und wollte ausspucken, aber sein zugeklebter Mund ließ das alles nicht zu.
    Beuchert sackte in sich zusammen. Er hatte keine Kraft mehr. Widerstand war so sinnlos geworden. Er gab sich auf. Sterben, nur noch sterben. Und schnell, ganz schnell.
    Langsam ließen seine Bewegungen nach. Dann endlich erbarmte sich eine einsetzende Ohnmacht seinem Gefühl unerträglich werdender Schmerzen.
    ***
    Nur eine knappe Viertelstunde später näherte sich vom Südbahnhof her ein blau-weißer Revierstreifenwagen der Polizei. Am Steuer saß Michaela Stein, eine uniformierte junge Blondine, frischgebackene Polizeikommissarin, die noch immer den einen oder anderen Blick stolz auf ihr silbernes Dienstgradabzeichen warf. Neben ihr auf dem Beifahrersitz breitete sich ihr deutlich älterer Kollege Norbert Weber aus, ein fülliger Polizeioberkommissar, dessen Äußeres seinen Sinn für Gemütlichkeit und bürgerliches Essen deutlich werden ließ.
    Manuela Stein diskutierte gerade mit Norbert Weber die nächsten Beförderungsmöglichkeiten durch, als sie ganz unvermittelt so auf die Bremse trat, dass Weber trotz beachtlichem Leibesumfang und angelegtem Sicherheitsgurt auf seinem Sitz nach vorn rutschte. »Da ist etwas. Guck mal, da vorn. Da liegt etwas auf der Straße, wie ein Altkleiderbündel.«
    Weber stutzte und beugte sich vor zur Windschutzscheibe. Er kniff die Augen zusammen und hielt sich die flache Hand vor die Augen. »Warte mal! Das sieht aus wie nackte Beine. Das ist ein Mensch.«
    Manuela Stein zögerte und starrte weiter nach vorn aus dem Fenster. »Stopp. Nicht so schnell. Da hinten, siehst du das, an der Wand? Ich glaube da entfernen sich zwei Typen und drücken sich dabei an die Mauer. Die greifen wir uns. Soll ich Blaulicht und Martinshorn einschalten?«
    »Kein Blaulicht, kein Martinshorn. Erst wenn wir in unmittelbarer Nähe sind. Wir fahren bis zu den beiden hin und halten sie an. Danach schauen wir uns dieses Bündel auf dem Trottoir an.« Mit geübten Handgriffen verständigte Weber über Funk das Revier. Wenige Sekunden später näherten sich die beiden Polizeibeamten der Stelle, die Manuela Stein ausgemacht hatte. Als sie die beiden Personen fast erreicht hatten, beschleunigten diese ihre Schritte.
    Das Polizeifahrzeug kam eine kurze Strecke vor ihnen zum Stehen. Manuela Stein schaltete die Signale ein. Die beiden Polizeibeamten griffen zu ihren Waffen, stürzten aus ihrem Auto und hielten die Waffen in Anschlag.
    »Halt! Stehen bleiben! Polizei!«, rief Weber.
    Die zwei jungen Männer hatten zunächst im Laufschritt abgedreht, um sich in entgegengesetzter Richtung davonzumachen. Unsicher schaute sich einer von ihnen um, sah in die gezogenen Waffen und blieb dann zögerlich stehen. Sein Begleiter verharrte ebenfalls.
    Die beiden Polizeibeamten näherten sich seitlich von rechts und links wie eine Klammer den zwei jungen Männern, die Waffen nach wie vor im Anschlag. Weber wies mit der Waffe zur Wand. »Drehen Sie sich zur Wand, legen Sie die Hände gegen die Mauer, spreizen Sie die Beine und rutschen Sie mit den Füßen ein Stück von der Wand weg nach hinten.«
    Die jungen Leute warfen sich einen kurzen Blick zu und befolgten dann Webers Anweisung. Weber sah zu seiner Kollegin und machte eine ruckartige Kopfbewegung zur Seite. »Halte du sie in Schach. Ich taste sie ab.«
    Weber tastete sorgfältig nacheinander die Oberkörper, Beine und Kleidung der beiden Männer ab und durchsuchte sie nach Waffen. »Nichts! Sie sind sauber.« Er verpackte seine Pistole wieder im Holster.
    Auch Manuela Stein steckte ihre Dienstwaffe weg und wandte sich den zwei jungen Leuten zu. »Ihre Ausweise, bitte.«
    Sie nahm die Pässe entgegen, las und schaute zu Weber hin.
    »Ibrahim Kaya und Mustafa Kaya, achtzehn und neunzehn Jahre alt, deutsche Staatsbürger. Wohnen im Ben-Gurion-Ring in

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