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Das juengste Gericht

Das juengste Gericht

Titel: Das juengste Gericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Udo Scheu
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wir vorsorglich bei den Beucherts mitgenommen haben. Wir waren einfach noch nicht dazu gekommen, sie genauer anzuschauen. Jetzt, wo Sie mich darauf aufmerksam machen, könnte ich mir vorstellen, dass die Dinger beweiserheblich sein können. Herr Diener hatte sich wohl ebenfalls noch nicht genauer damit beschäftigt.«
    Diener ließ ein leises Brummen vernehmen und widmete sich weiter seinen Akten.
    Schultz zuckte mit den Schultern. »Ich hatte die Bilder bisher auch noch nicht angesehen. Nach meiner jetzigen Einschätzung denke ich, dass sie im Zusammenhang mit unserem Fall von Bedeutung sein könnten. Die Frage ist nur, welche Schlüsse wir daraus ziehen können. Die unheimlichen Kompositionen haben erst einmal für sich keinen Belastungswert. Alles kann auf eine überzogene Fantasie von Sunita hinweisen. Andererseits kann hier irgendwo das Motiv für die Tötung des Mädchens versteckt liegen. Die Fotos, die Sie mitgebracht haben, sind aus sich heraus nicht sehr aussagekräftig. Die starke Schminke und der abweisende Gesichtsausdruck lassen für mich auch in Verbindung mit den Malereien keine belastbaren Deutungen zu.«
    »Mir ist schon klar, dass wir uns noch etwas einfallen lassen müssen, wie wir vernünftig weitermachen, ohne schlafende Hunde zu wecken.«
    Diener horchte auf und fuhr sich mit beiden Händen durch seine langen blonden Haare. »Ich hätte da einen Vorschlag. Ellen Krawinckel hat mich mit einer nebensächlichen Bemerkung darauf hingewiesen, dass ihr Mann nach wie vor seine erste Frau finanziell unterstütze. Sie hat geschildert, die Ex-Frau sei nur hinter dem Geld von Krawinckel her und versuche, ihn auszunehmen. Wenn das halbwegs zutrifft, könnten wir die Dame vernehmen. Wir müssen nicht befürchten, dass sie mit ihm noch in engerem Kontakt steht, ihn in Schutz nimmt oder ihm alles berichtet. Sie wäre jemand, der uns zum Beispiel etwas sagen könnte.«
    Schreiner fuhr sich mit dem Zeigefinger über die Lippen.
    »Können wir sicher sein, dass sie Krawinckel die Info nicht verkaufen wird, wenn sie so auf dessen Geld aus ist?«
    Schultz schüttelte den Kopf. »Nein. Wir müssen ihr eben nachhaltig klarmachen, welchen Ärger sie sich damit einfängt. Dann wird sie die Finger davon lassen.«
    Schreiner rieb sich am Ohrläppchen und lachte. »Der Gedanke gefällt mir. Das könnte was werden. Ihre Adresse haben wir im Rahmen der Aufklärung der persönlichen Verhältnisse von Krawinckel ermittelt. Ich könnte versuchen, die Dame umgehend zu erreichen und zu befragen. Meinen Kollegen Köhler würde ich mitnehmen. Er wird sich freuen, weil er gerade an einer Statistik sitzt und ihm das ungeheuer gegen die Natur geht. Oder hat man Sie angewiesen, alle Personen aus dem Umfeld von Krawinckel selbst zu vernehmen?«
    »Nein! Das geht so in Ordnung«, sagte Schultz. »Wir lassen nichts anbrennen. In der Zwischenzeit gehe ich zu meinem Abteilungsleiter und unterrichte ihn. Dem Ministerium kann unser Chef vorläufig das sagen, was bisher geschehen ist. Wir müssen nicht alles ankündigen, was wir vorhaben. Ich werde mich anschließend einmal mit einer Kinderpsychologin oder einer Psychoanalytikerin zusammensetzen und ihr die Bilder von Sunita vorlegen. Mal sehen, was sie dazu meint. Vielleicht kann sie die Aquarelle näher deuten und uns etwas zur Glaubhaftigkeit sagen, falls die Malereien einen Aussagewert haben.«
    Schreiner zog die Nase hoch. »Meinen Sie, das geht gut?« Schultz lachte. »Sie stecken voller Vorurteile. Wie die meisten Polizisten glauben Sie, dass man sich nur auf die Menschen in der eigenen Organisation verlassen kann. Das ist ein Fehler. Vielleicht werden wir uns über das Ergebnis wundern.«

26. Kapitel
    »Mond, Mond«, riefen die Gäste an demselben Abend in der überfüllten Gaststätte »Germania« in der Textorstraße im Frankfurter Stadtteil Sachsenhausen, der Heimstätte des Apfelweins. Auf den langen gelben Bänken ohne Rückenlehnen saßen sich jeweils fünf Menschen an einem passenden Holztisch gegenüber, hielten Kopien mit dem Text des Liedes »Guter Mond, du gehst so stille« vor sich und schauten zur Decke der gediegenen alten Kneipe. Dort war diagonal durch den Gastraum ein Draht gespannt, an dem ein beleuchteter Lampion in der Form eines Halbmonds befestigt war.
    Die Gäste waren teilweise maskiert. Sie trugen Gardeuniformen, deren Beschriftung den Vereinsnamen erkennen ließ. Einige Tische waren mit Laufkundschaft besetzt, die sich jedoch problemlos dem Ritual

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