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Das Karpatenschloß

Das Karpatenschloß

Titel: Das Karpatenschloß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Rauch aufgestiegen sein soll – noch dazu
    — 74 —
    Rauch, der gar keiner gewesen zu sein braucht. Nein, ein
    für alle mal, ich schlag’s ab, ich geh nicht zum Karpaten-
    schloß.«
    »Aber ich werde gehen!«
    Es war der Förster Nic Deck, der jetzt diese Worte in das
    Gespräch geworfen hatte.
    »Du, Nic?« rief Meister Koltz.
    »Jawohl, ich; doch nur unter der Bedingung, daß Patak
    mich begleitet.«
    Diese direkt an die Adresse des Doktors gerichtete Auf-
    forderung veranlaßte den armen Kerl aufzuspringen, wie
    um sich zu wehren.
    »Meint Ihr wirklich, Förster?« erwiderte er. »Ich – Euch
    begleiten? Natürlich. Das wäre ja ein hübscher Spaziergang,
    wir beide zusammen. Wenn ich nur einen Nutzen davon
    sähe ... und wenn man die Sache auch wagen darf. Ihr wißt
    selbst, Nic, daß es nicht einmal einen Weg gibt, um zur Burg
    zu gelangen. Wir können also einfach gar nicht hin.«
    »Ich habe erklärt, zur Burg zu gehen«, fiel ihm Nic ins
    Wort, »und da ich das gesagt habe, werde ich auch hinge-
    hen.«
    »Schön; doch ich, ich hab’ es nicht gesagt!« rief der Dok-
    tor mit Armen und Beinen strampelnd, als ob ihn einer am
    Kragen gepackt hätte.
    »Doch, Ihr habt das gesagt«, erklärte Jonas.
    »Ja! Jawohl!« riefen die anderen wie aus einem Mund.
    Von der ganzen Gesellschaft bedrängt, wußte der alte
    Krankenpfleger nicht mehr, wie er sich aus der Schlinge zie-
    — 75 —
    hen sollte. Oh, wie bedauerte er jetzt seine frühere Prahle-
    rei! Allerdings hätte er sich niemals eingebildet, daß man
    ihn beim Wort nehmen und verlangen würde, persönlich
    für seine Aussagen einzutreten. Jetzt gab’s für ihn leider
    keine Ausflucht mehr, wollte er nicht zum Gelächter von
    ganz Werst werden und vor dem ganzen Land Spießruten
    laufen. Er beschloß also, gute Miene zum bösen Spiel zu ma-
    chen.
    »Nun denn, da Ihr es wünscht«, sagte er, »werd’ ich Nic
    begleiten, obwohl das nutzlos sein wird.«
    »Schön, Doktor Patak, das ist doch wenigstens ein Wort!«
    riefen die Männer an den Schanktischen.
    »Und wann machen wir uns auf den Weg, Förster?«
    fragte Doktor Patak in zwar möglichst gleichgültigem Ton,
    der seine Scheu vor der ganzen Geschichte jedoch nur
    schlecht verhehlte.
    »Morgen in der Frühe«, antwortete Nic Deck.
    Nach den letzten Worten wurde es ganz still rings um-
    her, ein Beweis, daß die Angelegenheit Meister Koltz wie die
    übrigen tief erregte. Gläser und Flaschen waren geleert, und
    doch stand keiner auf, machte keiner Anstalt, die Gaststube
    zu verlassen, obgleich es spät genug war, um nach Hause
    zu gehen. Jonas hielt es also für angezeigt, noch einmal mit
    Schnaps und Rakiou aufzuwarten.
    Plötzlich ließ sich inmitten des allgemeinen Schweigens
    deutlich eine Stimme vernehmen, die langsam folgende
    Worte sprach:
    — 76 —
    »Nic Deck, geh nicht zu der Burg! Geh nicht dahin! Es
    droht dir Unheil!«
    Wer hatte diese Warnung ausgesprochen? Woher kam
    die Stimme, die keiner erkannt und die aus unsichtbarem
    Mund zu tönen schien? Das konnte nur die Stimme eines
    Gespensts sein, eine übernatürliche, eine Stimme aus der
    anderen Welt.
    Jetzt erreichte das Entsetzen seinen Höhepunkt. Keiner
    wagte den andern anzusehen, keiner brachte eine Silbe über
    die Lippen.
    Der Mutigste in der ganzen Gesellschaft – offenbar der
    junge Nic – wollte jedoch wissen, woran er damit war. Es
    gab keinen Zweifel, daß jene Worte hier in der Gaststube
    selbst ausgesprochen worden waren.
    So näherte sich denn der Förster zuerst einer großen
    Truhe, die er öffnete.
    Niemand!
    Er untersuchte die an die Gaststube stoßenden Frem-
    denzimmer.
    Niemand!
    Er stieß die Tür des Wirtshauses auf, trat hinaus und ging
    über die Terrasse bis zur Landstraße von Werst.
    Niemand!
    Wenige Minuten später hatten Meister Koltz, der Ma-
    gister Hermod, Doktor Patak, Nic Deck, der Schäfer Frik
    und die andern das Wirtshaus verlassen, so daß nur dessen
    Inhaber, Jonas, allein zurückblieb, der den Schlüssel in der
    Haustür heute zweimal umdrehte.

    — 77 —
    — 78 —
    In derselben Nacht verbarrikadierten die Bewohner von
    Werst, als ob ihnen das wilde Heer schon auf dem Nacken
    säße, jeden Zugang zu ihren Häusern, so gut sie das konn-
    ten.
    5
    Am folgenden Morgen machten sich Nic Deck und Doktor
    Patak gegen 9 Uhr zum Aufbruch bereit. Der Förster hatte
    vor, den Bergrücken des Vulcan zu ersteigen, um sich so auf
    dem kürzestem Weg zum Schloß zu begeben.
    Nach dem Auftreten des

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