Das Kloster der Ketzer
mir auch nie erlaubt, zugegen zu sein, wenn er sich deine Verbände angesehen hat.«
»Was redest du da für ein wirres Zeug?«, fragte Sebastian irritiert. »Gerade hast du doch gesagt, er hätte dich beauftragt, mich zu euch nach Passau zu bringen! Also musst du doch wissen, wer er ist!«
»Irrtum! Der Fremde hat immer nur mit Dornfeld gesprochen und der hat den Auftrag an mich weitergegeben. Wie ich schon sagte, der Mann ist nur nachts zu uns gekommen. Alles, was ich aus der Entfernung gesehen habe, war eine große, kräftige Gestalt in einem schwarzen, langen Umhang und mit verhülltem Gesicht, die draußen im dunklen Hof mit dem Meister geflüstert hat.«
»Der Kapuzenmann!«, entfuhr es Sebastian. »Und ich dachte, ich hätte das nur geträumt!«
»Kapuzenmann ist genau das richtige Wort für den geheimnisvollen Fremden!«, sagte Lukas und berichtete nun, wie er am Nachmittag vor mehr als einer Woche zu seinem Botendienst gekommen war. »Er war es übrigens auch, der Meister Dornfeld veranlasst hat, mich mit dem Schreiben nach Erlenhof zu schicken. Wir waren gerade oben auf dem Berg im Hof der Festung Oberhaus. Da wird an allen Ecken und Kanten
mächtig gebaut. Dornfeld hatte für die Reparaturarbeiten am Dachstuhl eines Festungstraktes eine Ladung Balken geliefert, und ich war ihm auf meinem Pferd nachgeritten, weil er vergessen hatte, die Rechnung mitzunehmen. Und Gertrud, seine zänkische Frau, ist immer wie der Teufel nach der armen Seele dahinter her, dass die hohen Herren gleich bei Lieferung bezahlen, weil sie sonst ewig und drei Tage auf ihr Geld warten müssen.«
»Und du hast ihn nicht gefragt, wer dieser Fremde ist, der uns vor dem Domherrn und seinen Schergen gewarnt hat?«, wunderte sich Sebastian.
»Natürlich! Sogar mehr als einmal! Aber der Kerl hat sich nichts entlocken lassen. Er dürfe seinen Namen nicht verraten, und ich wäre gut beraten, nicht herausfinden zu wollen, wer der Kapuzenmann ist. Er hat mich sogar bei den Seelen meiner seligen Eltern hoch und heilig schwören lassen, dass ich es auch nicht versuche. Niemand darf wohl erfahren, dass er etwas mit den Vorgängen auf Erlenhof und dir zu tun hat. So, das ist alles, was ich dir erzählen kann. Und nun ist es an dir, zur Abwechslung einmal mir einige Fragen zu beantworten. Etwa warum der Domherr seine Schergen ausgeschickt hat und dich verhaften lassen wollte. Was hast du auf dem Kerbholz, Sebastian von Berbeck? Gehörst du etwa zu den ketzerischen Neugläubigen, die heimlich der Lehre dieses Martin Luther anhängen?«
»Wie kommst du denn auf diese Idee?«, fragte Sebastian erschrocken zurück, musste jedoch augenblicklich an einen der Schergen denken, der auf Erlenhof damit gedroht hatte, dass man sie alle als Ketzerfreunde zur Rechenschaft ziehen würde, wenn sie nicht sofort die Tür öffneten.
Lukas zuckte die Achseln. »Na ja, in letzter Zeit hat man bei uns so einige Ketzer, zumeist Anhänger dieser Wiedertäuferbewegung
3 , verbrannt oder enthauptet. Und vor kurzem hat man einen gewissen Leonhard Kaiser hier in Passau als Ketzer verhaftet und wird ihn wohl auch auf den Scheiterhaufen schicken, wenn er nicht widerruft. Der Mann soll früher einmal Pfarrer in Waizenkirchen gewesen sein und sich dann nach ketzerischen, lutheranischen Predigten seiner drohenden Verhaftung entzogen und gen Wittenberg abgesetzt haben, um dort Schüler dieses Martin Luther zu werden. Man hat ihn vor etwa zwei Wochen dann doch noch geschnappt und ihn auf der Veste Oberhaus eingekerkert. Der Kerl ist nämlich so dumm gewesen, aus der Hochburg dieser Neugläubigen hierhin an das Sterbebett seines Vaters zu eilen. Dieser Liebesdienst wird ihm jetzt wohl das Leben kosten. Es sei denn, er schwört den lutherischen Lehren öffentlich ab.«
»Der Name Leonhard Kaiser sagt mir nichts, ich habe ihn noch nie zuvor gehört. Und niemand auf Erlenhof hat je etwas mit Wiedertäufern oder anderen Ketzern zu tun gehabt!«, beteuerte Sebastian. »Meine Eltern und ich waren unser Leben lang immer der heiligen katholischen Mutter Kirche treu!«
Dass Engelbert und Gisa von Berbeck oft über das ausschweifende, sittenlose Leben der Päpste, der intriganten römi
schen Kurie sowie der deutschen Fürstbischöfe und Domherren geschimpft und für deren politische Ränkespiele und Raffgier nur Verachtung übrig gehabt hatten, ließ er unerwähnt. Das tat nichts zur Sache und hatte überhaupt nichts mit ketzerischen Lehren zu tun. Denn so wie sie dachten ja viele in
Weitere Kostenlose Bücher