Das knallrosa Tagebuch: Das knallrosa Tagebuch
liebsten hätte ich ihm eine verpaßt, doch dann habe ich mich gefragt, was mich das angeht. Mag ist selber schuld.
Das ist die Wahrheit. Trotzdem tut es mir innen drin ganz weh, wenn ich sie sehe. Sie macht so einen unglücklichen Eindruck. Wütend. Einsam. Die Liebe ist zum Kotzen ...
2. Mai
War heute bei Aaron. Mama, Papa und Oma sind nach Wheeler gefahren, um Papas Cousins zu besuchen. Jeff sollte auf mich aufpassen. Er ist den ganzen Vormittag in der Wohnung rumgehangen und war so traurig, daß ich mich wie auf dem Friedhof gefühlt habe. Als ich ihm sagte, daß ich weggehe, meinte er: »Ist mir doch egal.« Da habe ich mich schnell verdrückt.
Als ich bei Aaron ankam, haben Mr. und Mrs. Silver gerade rund ums Haus Blumen gepflanzt. Aaron und ich sind gleich in sein Zimmer. Heute haben wir unsere Körper erkundet. Ich habe ihn überall angefaßt und etwas ziemlich Erstaunliches festgestellt. Ich hatte immer gedacht, daß ich am männlichen Körper vor allem das Harte mag, aber heute ist mir klar geworden, daß mir das Weiche genauso gefällt. Sein Hintern unter meinen Fingerspitzen, das nachgeben seines Bauches, seine Brustwarzen, sein Nacken, sein Rücken. Aaron sagt, der menschliche Körper sei »ein Wunderwerk der Technik«. Bin voll und ganz seiner Ansicht. Aaron hat sich angezogen und durchs Fenster seinen Eltern zugeschaut. »Glaubst du, wir haben das auch einmal?« fragte er. Ich habe rausgeguckt. Mr. und Mrs. Silver saßen zusammen im Gras und tranken zusammen eine Limo. Sie haben über irgendwas gelacht. Ich wußte, was Aaron mit »das« meinte.
Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen soll. Ich versuche, nicht an die Zukunft zu denken. Meistens schaffe ich es knapp, den nächsten Tag zu überstehen. »Hoffentlich«, sagte ich.
Aaron schwieg. Er hat das Rollo runtergelassen und sich fertig angezogen.
3. Mai
»Jeff geht zur Armee«, hat Papa mir und Oma heute verkündet, als wir aus der Kirche zurückkamen, Mama saß neben ihm in der Küche. Anscheinend hatte niemand ein Problem damit. Mur Oma hat ein erschrockenes Gesicht gemacht. Ich wußte, daß ihr die Idee ganz und gar nicht gefiel. Papa hatte sich alles zurechtgelegt. Er meint, weil Jeff nicht weiß, was er studieren soll, bringt es nichts, daß er aufs College geht. Die Armee wird ihm eine Ausbildung bezahlen und einen Mann aus ihm machen. Ihn disziplinieren. Papa sagt, er hätte heute morgen lange mit Jeff geredet, und sie wären einer Meinung. Jeff war nicht da, um das zu bestätigen. »Wo ist Jeff?« fragte ich. »Er fährt spazieren«, antwortete Papa.
Papa war aufgeregt genug für beide. Ich habe mir sein Gelaber angehört und versucht, mir eine Meinung zu bilden. Zuerst schien es mir sehr sinnvoll. Wenn Jeff zur Armee geht, kommt er raus aus Tranten Township und muß nicht zu Plumbco. Er wird viel erleben und eine Menge lernen. Aber die Armee verändert die Menschen. Die wildesten Typen von der Chappaqua Highschool haben sich danach so gebärdet, als hätte man ihnen einen Teil des Gehirns rausoperiert. Sie sind rumgehangen wie die Zombies und hatten überhaupt keinen Antrieb mehr. Und ich kann mir nicht vorstellen, daß Jeff sich von jemandem rumkommandieren läßt. Und mit einer Horde anderer Leute in Reih und Glied marschiert. Der bloße Gedanke macht mir angst. Doch vielleicht tut ihm die Veränderung gut. nachdem Papa mit seinem Zehn-Minuten-Werbespot für die Armee fertig war, hat er einen Spaziergang gemacht. Oma und Mama blieben in der Küche. Oma hat Mama einen Blick zugeworfen. »Bist du wahnsinnig?« fragte sie. »Willst du, daß Jeff in die Philippinen geschickt wird, um für diese Frau Aquino zu kämpfen? Denn das passiert bestimmt.«
»Wie man sich bettet, so liegt man«, gab Mama zurück. Sie ist zwar auch nicht begeistert, meinte aber: »Dann denk dir doch was Besseres für Jeff aus.« Oma und ich schwiegen. Ich habe überlegt und überlegt, aber es ist mir nicht mehr eingefallen als letzte Woche. Mein Gehirn war wie leergefegt.
18:30
War gerade in Mamas Zimmer. Sie sah sich das Album an und fuhr mit dem Finger über die Fotos, die ich aber nicht sehen konnte. Bei meinem Anblick ist sie zusammengezuckt, als ob ich sie erschreckt hätte. Sie fragte, was ich will.
»Daß alles in Ordnung kommt«, habe ich gesagt.
Sie seufzte. »Ich verstehe dich.«
Sie streckte die Arme aus, und ich habe sie umarmt. Dann habe ich mir das Album angeschaut. Es war an der Stelle mit den Fotos von Papa aufgeschlagen, an dem Tag, als er nach
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