Das Komplott (German Edition)
Angeklagten abgenommenen Stiefeln passe?«
»Das stimmt nicht. Da geht einem verzweifelten Anwalt und seinem schuldigen Mandanten die Fantasie durch.«
»Haben Sie einen Stiefelabdruck?«
Westlake warf einem seiner Beamten einen Seitenblick zu, als gäbe es vielleicht einen Stiefelabdruck, der ihm vorübergehend entfallen sein mochte. Der Beamte schüttelte den Kopf.
»Nein«, gab Westlake zu. »Es gibt keinen Stiefelabdruck.«
»Und dann sollen Ihre Beamten Augenzeugen erwähnt haben, die gar nicht existieren. Einer soll den Angeklagten zur Zeit der Morde im Städtchen Ripplemead gesehen haben. Ist da was dran?«
Westlake rutschte von einer Pobacke auf die andere und lächelte herablassend. »Ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, was nötig ist, um einen schuldigen Verdächtigen zu knacken. Natürlich gibt es Tricks, aber …«
»Ich verstehe.«
»Sie müssen den Verdächtigen ins Bockshorn jagen, ihn glauben lassen, Sie hätten viel mehr Beweise, als Ihnen tatsächlich vorliegen.«
»Ich habe keine Aussage von einem solchen Zeugen gesehen.«
»Das werden Sie auch nicht. Er existiert überhaupt nicht.«
»Wir stehen auf derselben Seite, Westlake. Ich muss nur die Wahrheit kennen, damit ich auf den Antrag, das Geständnis auszuschließen, reagieren kann, verstehen Sie?«
»Ich verstehe.«
»Und der zweite Zeuge, der in dem Gemischtwarenladen in der Nähe der Blockhütte. Den gibt es auch nicht?«
»Nein.«
»Haben die Beamten irgendwelche anderen Tricks eingesetzt, von denen ich nichts weiß?«
»Nein«, behauptete Westlake, aber niemand im Raum glaubte ihm.
»Um die Anklage gegen Quinn Rucker zusammenzufassen: Wir habe also weder Augenzeugen noch Ballistikgutachten, weder Stiefel- noch Fingerabdrücke – überhaupt keine objektiven Beweise. Richtig?«
Westlake nickte widerwillig, sagte aber nichts.
»Wir haben einen Angeklagten, der sich nach den Morden in der Gegend von Roanoke aufhielt. Es gibt aber keinen Beweis dafür, dass er vorher schon dort war, richtig?«
Wieder ein Nicken.
»Und unser Angeklagter wurde mit mehr Bargeld erwischt, als ein normaler Mensch üblicherweise bei sich tragen würde, richtig?«
Westlake bestätigte es.
»Allerdings handelt es sich bei Mr. Rucker um einen geständigen Drogenkurier aus einer Familie, die bekanntermaßen im Drogengeschäft aktiv ist; für ihn wäre es also bestimmt kein Problem, an Bargeld zu kommen.« Mumphrey schob seinen Block weg und rieb sich die Schläfen. »Meine Herren, wir haben ein Geständnis und sonst gar nichts. Wenn das Geständnis nicht zugelassen wird, wird das Verfahren eingestellt, und Mr. Rucker kommt frei.«
»Das müssen Sie verhindern«, sagte Westlake. »Das wäre unvorstellbar!«
»Genau das habe ich vor, aber ich kann mir vorstellen, dass der Richter das Verhör befremdlich findet. Die Dauer stört mich. Zehn Stunden, die ganze Nacht hindurch. Ein offenkundig übermüdeter Verdächtiger, der als abgebrühter Krimineller normalerweise sofort einen Anwalt verlangen würde. Zwei erfahrene Vernehmungsbeamte, die alle Tricks kennen. Könnte knapp werden.«
Westlake hörte sich das lächelnd an. »Vergessen Sie unseren Kronzeugen nicht«, sagte er nach einer Pause. »Malcolm Bannister wird aussagen, dass Quinn Rucker wiederholt damit gedroht hat, Richter Fawcett zu ermorden. Er wollte Rache, und er wollte sein Geld zurück.«
»Das stimmt, und zusammen mit dem Geständnis wird seine Aussage für eine Verurteilung reichen. Aber seine Aussage allein ist nicht genug.«
»Sie klingen nicht allzu zuversichtlich.«
»Ganz im Gegenteil. Es handelt sich um Mord an einem Bundesrichter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein anderer Bundesrichter Sympathien für Quinn Rucker empfindet. Wir haben das Geständnis, und wir haben Malcolm Bannister. Wir bekommen unsere Verurteilung.«
»Das klingt schon besser.«
»Wie geht es übrigens Bannister?«
»Der ist in Sicherheit. Die U.S. Marshals haben ihn gut versteckt.«
»Wo ist er?«
»Tut mir leid, Mr. Mumphrey. Es gibt Dinge, über die darf ich nicht reden. Aber keine Sorge. Wenn wir ihn brauchen, wird er hier sein.«
23
Pat Surhoffs Ablösung heißt Diana Tyler. Ich treffe mich mit den beiden zum Mittagessen, nach einem langen Vormittag im Krankenhaus, wo man mir nach eingehender Untersuchung sagt, ich solle in einem Monat wiederkommen. Ms. Tyler ist eine große, hübsche Frau Anfang fünfzig mit kurzen Haaren, dezentem Make-up und marineblauem Blazer; einen Ehering trägt sie
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