Das Kreuz des Zitronenkraemers
besser gefallen.
Giulia stieg aufs Deck. Ambrosius sah, dass sie sich suchend umschaute. Dann erblickte sie ihn und winkte ihm fröhlich zu.
Sein Herzschlag raste gen Himmel. Er sah ihr helles, zartes Gesicht. Die Wangen ganz rosa. Ihre Haut an den Armen wie Honig in der Sonne. Die Augen leuchtend. Das dunkle Haar seidig in kleinen Locken, die sich über ihrer Stirn kräuselten. Ihr Mund lächelte ihn an.
Er musste stark sein. Gott der Herr wollte sie für sich. Sie wusste nicht, wie er empfand. Und das war gut.
„Was schaust du so traurig?“, wollte sie wissen, als sie an ihn herantrat. „Ach, nichts“, stammelte er. „Nur die Geschichte vom Bischof, nicht wahr, Onkel?“ Aber Ambros war verschwunden.
„Also, lernen wir weiter?“ Ambrosius setzte ein Lächeln auf. Sie durfte nichts merken. „Na gut“, seufzte Giulia leise. „Aber ich will dort nicht hin.“ Ihre Stimme war nur ein leises Flüstern.
„Irgendwann kehre ich zurück und nehme dich zu mir.“ Die Worte sprudelten aus Ambrosius Mund, ohne dass er darüber nachgedacht hatte. Aber die Worte waren gesprochen. Giulia sah ihn an. Sie wirkte erschrocken, ängstlich und er wusste nicht, wie er ihren Blick deuten sollte. Er drehte sich ab. Schaute auf den Rhein. Schaute den lang gezogenen Wogen nach, die vom Schiff aus ans Ufer schwappten. Er sah eine Schwanenfamilie. Drei Junge, noch ganz grau und braun, versuchten aufgeregt, ihren majestätisch anmutenden schneeweißen Eltern über das Wasser zu folgen. Das Weiß der großen Vögel erinnerte ihn an den Schnee auf den Gipfeln seiner Heimat. Diese Heimat würde nicht Giulias Heimat sein. Für sie war ein anderer Weg vorherbestimmt. Sie würde in einem Kloster Gott, dem Herrn, dienen. Wie konnte er nur so anmaßend sein?
„Versprichst du es?“ Er wusste nicht, ob er ihre leisen Worte wirklich gehört hatte oder sie nur Einbildung in seinem Kopf waren. Langsam drehte er sich zu ihr um. Sie blickte mit ihren wunderschönen Augen in sein Herz. Er brachte keine Silbe heraus und war so stumm wie ein Fisch im Rhein. Er sah Tränen in ihre Augen schießen. Wie vom Blitz getroffen drehte sie sich um und lief zur Treppe, die hinunter in den Schiffsbauch führte. Er stand einfach nur da.
Die Sonne begann bereits unterzugehen. Er stand immer noch da, schaute aufs Ufer und dachte nach. Er wusste nicht, was er tun sollte. Auch Vater oder Onkel konnte er in dieser Angelegenheit nicht behelligen. Er musste allein entscheiden und sprach mit Gott, kam aber zu keiner Einigung.
Erst drangen die Rufe zu seinen Ohren. Dann sah er die Umrisse eines anderen Schiffes am gegenüberliegenden Ufer. Das erste Schiff, das ihnen entgegenkam. Dieses Schiff fuhr gegen den Strom. Es konnte nicht segeln, da es keinen Rückenwind hatte. Jetzt lernte Ambrosius, wozu der kleine Mast am Bug des Schiffes gedacht war. Ein Tau war darum gespannt. Ein weiteres an den langen Mast in der Mitte, der kein Segel trug. Beide waren miteinander verbunden. Ambrosius hörte lautes, rhythmisches Rufen von unzähligen Männern. Dazu das Geräusch von schweren Pferdehufen. Er kniff die Augen zusammen, damit er besser sehen konnte. Das andere Ufer war weit entfernt und Ambrosius konnte nur erahnen, was dort geschah. Er sah die schweren Pferde an den Leinen ziehen. Geführt von Männern und Jungen. Sie zogen das Schiff stromaufwärts. Die Leinen am vorderen, kleinen Mast hielten den Schiffskörper auf Kurs.
Dann plötzliches Geschrei. Laut und schrecklich. Eines der Kaltblüter hatte sich scheinbar vor irgendetwas erschrocken auf seinem Weg. Er sah den schweren Körper bis zur Brust in den Fluten beben und verzweifelt gegen die Taue kämpfen, die es von der Flucht zurückhielten. Ambrosius hielt den Atem an. Dann sah er den Jungen. Ambrosius betete zum Herrn. Der Junge hing zwischen dem Pferd und dem Seil. Er ruderte mit den Armen. Sein Kopf wurde ständig unter die Wasseroberfläche gedrückt. Bei jedem Auftauchen schrie er erbärmlich.
Mittlerweile war die Reling des Schiffes voll mit Menschen, die schrieen oder einfach nur glotzten. Ambrosius betete. Der Junge schrie nicht mehr. Sein Körper hing reglos zwischen Pferd und Tau. Das Pferd ruderte immer noch mit den Hufen. Endlich schnitt jemand das Haltetau mit einem kurzem Säbel entzwei. Ambrosius konnte kaum noch etwas sehen. Sie waren mittlerweile zu weit entfernt.
Er konnte noch erkennen, dass das Pferd zum Ufer strampelte. Dankbar für sein Leben, machte es sich auf und davon. Was
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