Das Kreuz des Zitronenkraemers
beschwerlich aus dem Wagen, ließ die Tür einfach offen und wankte zum Haus. Claire hörte ihn fluchen und mit einem Schlüsselbund klimpern. „Annette!“ Claire zuckte erschrocken zusammen. „Mach endlich die Tür auf!“ Der liebe Herr Nachbar schien ja wirklich ziemlich betrunken zu sein und brüllte sich lallend die Seele aus dem Leib. Claire musste lachen. Ich sollte ein paar Fotos schießen, dachte sie, kämen bestimmt gut an bei der Wählerschaft. Der bekannte Lokalpolitiker von nebenan randalierte mittlerweile an den Nachbildungen griechischer Marmorstatuen und schmiss Steine an alle möglichen Fenster. Claire sah noch das Licht in der Eingangshalle aufleuchten und krauchte weiter. Scheinbar war Annette aufgewacht.
„Na, dann ist ja gut“, seufzte Claire und widmete sich wieder der Suche nach dem Hintertürchen in der Gartenhecke. „Wirklich feine Gegend hier. Und die Anwohner sind ja alle so reizend.“ Da war was. Die Hecke war unterbrochen. „Juhu!“, jubilierte Claire, als sie das kalte und glatte Metall fühlen konnte. Ich wusste doch, dass es hier irgendwo sein musste, triumphierte sie innerlich. Sie tastete nach der Klinke und dem darunter liegenden Schlüsselloch. Hoffentlich passte der Schlüssel auch zu dieser Tür. Aber eigentlich war es ja der Generalschlüssel. Claire suchte in ihrer Jackentasche den einzelnen Schlüssel hervor und drückte ihn an ihre Lippen. „Bitte!“, flehte sie und steckte ihn ins Schloss. Langsam drehte sie ihn herum. Klick. Claires Herz machte einen Sprung. „Schönen Abend dann noch“, flüsterte sie in Richtung Nachbargrundstück, aber Annette und ihr Gatte waren mittlerweile endlich im Hauseingang verschwunden.
Sie stand in Bernds Garten. Das Türchen hatte sie nur angelehnt. Wer weiß, dachte sie, vielleicht muss ich im Fall der Fälle schnell von hier verschwinden.
Vorbei an Sträuchern und vereinzelten Bäumen schlich sie Richtung Haus. Im Vorbeigehen stopfte sie sich eine Stachelbeere in den Mund, um sie sogleich wieder auszuspucken. Angewidert verzog sie das Gesicht. War wohl noch ein bisschen früh im Jahr für den Genuss von Gartenfrüchten.
Claire sah den Pool im Mondlicht schimmern und grüßte ihn mit ausgestrecktem Daumen. „Wirklich klasse Leistung, Isaac und Newton“, rief sie leise herüber. „Ihr müsst auch nicht mehr ins Tierheim, das verspreche ich. Ich werde Andreas überreden, dass ihr bei uns bleiben könnt.“
Andreas. Sie tat das alles für ihn. Sie wünschte sich so sehr, den Schmuck zu finden. Oder wenigstens einen Hinweis darauf. Vielleicht konnte sie Andreas schon übermorgen wieder in die Arme schließen. „Bitte, lieber Gott“, betete sie, „Lass mich doch diesen verdammten Schmuck ausfindig machen.“
Sie war an der Haustür angekommen. Die Tür war von der Straße aus nicht sichtbar. Und die Alarmanlage würde beim Benutzen des Originalschlüssels bestimmt nicht anspringen. Heute Morgen hatte sie bei Anne angerufen, falls was schief gehen würde. Wenn sie sich morgen nicht meldete, wüssten Anne und Hannes, dass sie vermutlich in Polizeigewahrsam oder sonst was wäre. Dann müssten die beiden allein weitermachen. Aber Claire war guter Hoffnung, dass es dazu nicht kommen würde. Schließlich hatte auch bis jetzt alles reibungslos geklappt.
Claire schloss die Tür auf. Alles blieb ruhig. Claire atmete auf. Sie betrat die Halle und knipste die Taschenlampe an. Der Lichtkegel tauchte das Haus in eine gruselige Atmosphäre. Sie hatte sich ihren Schlachtplan genauestens festgelegt. Als erstes würde sie das Arbeitszimmer aufsuchen. Auf ihrem Weg dorthin brachte sie allerdings die antike Kommode, auf der normalerweise Bernds Telefonanlage ruhte und nun leer geräumt war, zuerst ins Stocken. Claire mutmaßte, dass die Anlage samt Anrufbeantworter von der Polizei konfisziert worden war und erinnerte sich daran, wie Hannes erzählt hatte, dass die Beamten ihm ein Band vorgespielt hatten. Unter anderem war die Stimme dieses Gritzfeld darauf archiviert, der sich bei Bernd über seine Anfrage wegen der Chiffre - Anzeige in der Wild und Hund bedankt hatte und sich zwecks Termins zur Revierbesichtigung nochmals melden wollte.
Außerdem hatte Hannes von einer zweiten Stimme eines bislang unbekannten Mannes berichtet, der sich für das Mordwochenende mit Bernd am Zitronenkreuz verabredet hatte. Von dort aus wollte er ihm angeblich das Revier zeigen.
Claire schossen Tränen ins Gesicht. Sie sah Andreas vor sich, der ihr strahlend
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