Das Kreuz des Zitronenkraemers
Fingern zu fassen und begann, es vorsichtig zurückzuziehen. Er rutschte ab. Wieder nahm er die Hand zurück und wischte sich die schweißnassen Finger an seinem Hemd trocken. Beim nächsten Versuch klappte es, er hielt das Taschenmesser in den Händen. Es war eines dieser Universaltaschenmesser. Andreas klappte eine lange Klinge heraus, sie war scharf, scheinbar war es Herrn Klinsmann wichtig, sein Messer zu pflegen. Andreas klappte die Klinge wieder zurück und öffnete eines der Instrumente. Es war ein Korkenzieher. Andreas lachte auf, eine Flasche Gran Reserva käme jetzt nicht schlecht. Das nächste, was er zum Vorschein brachte, war genau das, was er suchte. Eine Feile. Nicht groß, aber stabil. Andreas beschloss, nur hier in der Nähe des Rattenlochs zu arbeiten. Er hatte zwar gesagt, dass er erst übermorgen wieder käme, aber wer weiß. Vielleicht war er schon auf dem Weg zu ihm. Schließlich würde er sein Messer auf dem Küchentisch nicht finden. Wenn er hier arbeitete, hatte er genügend Zeit, falls er die Tür hören würde. Er könnte dann das Messer zurückschieben und sich schnell genug zur Matratze zurückschleppen. Dann würde er sich schlafend stellen.
Andreas begann zu reiben, erst langsam, dann immer schneller. Die Feile glitt mühelos über das Eisen der Kette. Ritsch, ratsch, ritsch, ratsch. Nach einer Weile wurde Andreas die Hand müde. Er unterbrach seine Arbeit und betrachtete sein Werk. Enttäuscht seufzte er, bislang war nur ein kleiner Einritz zu sehen. Aber immerhin, es funktionierte. Er machte weiter und das ständige Reiben erfüllte den Stollen die ganze Nacht hindurch. Andreas wusste nicht, dass es Nacht war. Irgendwann in den frühen Morgenstunden schlief er an die Wand gelehnt ein.
Als er aufwachte, tat ihm alles weh. Er versuchte aufzustehen, alle Glieder schmerzten. Das Messer lag auf dem Boden. Die Schinkenstücke waren verschwunden. Scheinbar hatte er Besuch, während er schlief. Die Ratten hatten sich ihre Belohnung abgeholt. Er hinkte mit der Kette in der Hand zum Tisch und trank einen Schluck Wasser. Andreas betrachtete die Kette. Er hatte gute Arbeit geleistet. Ein Teil des Gliedes war fast durch. Andreas ließ sich auf die Matratze fallen und öffnete einen der Plastikbehälter, die der Entführer dagelassen hatte. Hastig verschlang er eine Frikadelle. Sie schmeckte fad und fettig. Die andere würde er sich für später aufheben. Andreas wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. Er wurde panisch, musste sich beeilen. Er wankte zurück zur Mauer und machte weiter. Ritsch, ratsch. Endlich zersprang der erste Teil des Kettengliedes. Andreas jubelte auf. Mit neuem Mut begann er von vorn.
Er gönnte sich keine Pause. Seine Handgelenke waren mittlerweile aufgerissen und das Blut tropfte unter den Handschellen hervor. Er war müde, hungrig und durstig, aber das war ihm egal. Gleich würde er es geschafft haben.
Nach unendlicher Zeit fiel die Kette zu Boden. Andreas war zu erschöpft, um sich zu freuen. Er hob das abgefeilte Stück auf und trug es zur Matratze. Die Feile klappte er ein und steckte sich das Messer in die Hosentasche. Dann nahm er die Öllampe und machte sich auf den Weg, den er bisher nicht kannte. Er ging durch einen langen Gang, der immer schmaler wurde. Das Licht der Lampe warf unheimliche Schatten, die auf den unebenen Steinwänden tanzten. Alte, vermoderte Abstützbalken an der Decke förderten nicht gerade ein Gefühl von Sicherheit. Nach einer letzten Biegung erreichte er endlich die Tür. Er drückte dagegen. Das schwere Metall gab keinen Millimeter nach. Andreas weinte. Es war alles umsonst, er würde hier nie rauskommen. Er könnte höchstens mit dem Messer in der Hand hinter der Tür warten und dem Mann auflauern. Andreas hatte Angst. Er war geschwächt, der Andere gesund und stark, außerdem hatte er die Pistole immer dabei. Seine Hände hatten kaum Bewegungsfreiheit, die Handschellen waren ja immer noch miteinander verbunden. Andreas suchte eine andere Möglichkeit und strich mit der Hand über die Tür. Im oberen Drittel befand sich wohl ein kleines Fenster, eine Klappe aus Metall verdeckte es. Ein kleiner Haken war daran. Andreas versuchte, den Haken zu ziehen. Er rüttelte mit aller Kraft. An verschiedenen Ecken schien das Eisen nachgeben zu wollen. Andreas zog das Messer und benutzte die Klinge als Hebel. Plötzlich sprang die Klappe auf. Dahinter war eine Art Guckloch. Andreas hielt sich die Hände vor die Augen. Zulange hatte er kein
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