Das Kreuz des Zitronenkraemers
was sie sagen sollte und ob sie überhaupt damit einverstanden war. „Keine Angst“, der Notar bemerkte Annes Unentschlossenheit, „ich habe nicht vor, sie anderweitig als zu meinen eigenen Studien zu verwenden. Im Gegenzug biete ich Ihnen an, eine detaillierte Übersetzung und Aufstellung der darin beschriebenen Güter zukommen zu lassen.“ Er überlegte angestrengt: „Sagen wir, … na … also, wenn ich eine Nachtschicht einlege … morgen Abend! Na, wie wär’s?“
Ambrosius Carove, Teil V
Ambrosius konnte nicht still stehen. Immer wieder und wieder lief er an der mächtigen Mauer entlang. An der hohen und kalten Klostermauer, hinter der Giulia vor nun mehr als vier Jahren aus seinem Leben verschwunden war.
Das Tor wollte sich nicht öffnen. Es kam Ambrosius wie eine halbe Ewigkeit vor, dass sein Freund Gustavo eingelassen worden war.
Ambrosius selbst war der Zutritt zum Klostergelände verwehrt worden. Ein fahrender Händler hatte kein Recht dazu. Wohl aber Gustavo Boltera, der als Rechtsgelehrter für Ambrosius einstand. Er würde ihn und sein Anliegen würdig vertreten, dessen war Ambrosius gewiss.
Was würde er nur ohne Gustavo machen? Freudig hatte er Ambrosius in sein Heim aufgenommen, ihm einen festen Stand am Markt verschafft und auch bei der Auswahl der Baufläche unterstützt. Ambrosius wollte es mit aller Kraft. Er wollte sein Kaufhaus bauen. Hier in Trier.
Die Familie in Lenno würde ihn mit Früchten beliefern, alles war genau geplant, sein Erbteil bereits ausgezahlt.
Doch etwas fehlte noch zum vollkommenen Glück. Die Frau, die er liebte. Seit ihrem letzten Zusammensein hatte er nicht aufgehört, an sie zu denken. Der Moment der Wahrheit rückte nun immer näher. Ambrosius spürte kalten Schweiß der Angst in sich hochkriechen.
Was, wenn sie ihn vergessen hatte? Was, wenn sie im Kloster bleiben wollte? Was, wenn alles Träumen umsonst gewesen sein sollte?
Ambrosius seufzte tief. „Dann ist mein ganzes Vorhaben verwirkt“, sprach er laut aus, immer das große Holztor im Auge behaltend.
Er glaubte, ein Knirschen zu hören, wie von einem schweren Riegel. Dann endlich knarrte die Tür laut hörbar.
Ambrosius stockte der Atem. Durch einen schmalen Spalt quetschte sich sein Freund hinaus auf die Gasse.
Wie von Sinnen starrte Ambrosius ihn an. Die Tür wurde geschlossen.
Gustavo war allein.
„Wo … wo ist sie?“ hauchte Ambrosius kaum hörbar.
Gustavo trat auf ihn zu und umfasste seine Schulter, fast sanft. „Bewahre Ruhe, mein Freund. Du musst noch ausharren. Die Äbtissin spricht gerade mit Giulia, sie ist …“
„Hast du sie gesehen?“ Ambrosius schüttelte seinen Freund voller Ungeduld. „Hast du Giulia gesehen?“
Bevor Gustavo antworten konnte, öffnete sich das Tor erneut. Das von unzähligen Falten zerfurchte Gesicht einer alten Nonne winkte die beiden Herren zu sich. Sie sprach kein Wort, stumm machte sie Ambrosius deutlich, ihr zu folgen.
Ängstlich warf er Gustavo noch einen Blick zu, bevor er rasch durch die Tür schlüpfte. Er kam kaum dem raschen Schritt der alten Frau hinterher und fand keine Zeit, sich umzusehen.
Bald wartete er in einem kargen Raum und lief in dem kleinen Zimmer ruhelos auf und ab. Endlich öffnete sich eine unscheinbare Hintertür und eine Ordensfrau mit sanftmütigen Augen und freundlichem Gesicht trat auf ihn zu.
Ihr Blick musterte ihn lang und gründlich und Ambrosius bückte sich zu einer tiefen Verbeugung. Dies musste die Äbtissin Megana persönlich sein. „Mutter Oberin“, sprach er leise zur Begrüßung.
„Lasst das“, die Äbtissin hob mit ihrer Hand langsam Ambrosius Kinn. „Ihr seid also wirklich hier. “
Ambrosius war mittlerweile zu einem stattlichen Mann herangereift. Groß und kräftig, dichter schwarzer Bart und das lange Haar zu einem ordentlichen Zopf geflochten.
„Ihr habt den Zeitpunkt Eures Kommens klug gewählt“, sprach die Oberin weiter, „wäret Ihr auch nur einen Tag später erschienen, so wäre Euer Verlangen unmöglich gewesen. Giulias Entscheidung war getroffen und bis eben noch unumstößlich.“
Ambrosius spürte schon wieder Schweiß aus all seinen Poren brechen. Was sollte das bedeuten?
„Was meint Ihr damit? Welcher Entscheid?“ Ambrosius konnte seine Stimme kaum ruhig halten, so sehr zitterte er.
Die Nonne sah ihm nun direkt in die Augen und seufzte tief. „Alle Vorbereitungen zum Ablegen der ewigen Profess sind getroffen … morgen findet die Zeremonie statt. Giulia ist mir
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