Das Kumo-Kartell
»Als ich ein paar Wochen später – ich war immer noch nicht wieder diensttauglich – eines Abends in meine Wohnung kam, saß sie in meinem Sessel, als wäre sie bei mir zu Hause. Natürlich habe ich versucht, sie festzunehmen.« Er schüttelte den Kopf und nickte Cotton und Decker zu. »Sie haben inzwischen Ihre eigenen Erfahrungen mit ihr gemacht und können sich denken, wie das ausging. Sie hätte mich mit Leichtigkeit töten können.«
Er blickte in Gedanken versunken auf die Tischplatte. Strich sich mit beiden Händen über den Kopf, ehe er sie wieder vor sich faltete.
»Was wollte sie von Ihnen?«, fragte High.
Quinn sah auf. »Sie hat mir das erzählt, was ich Ihnen neulich über die Ziele der Ninjas gesagt habe.«
Cotton schnaubte. »Damit hat sie Ihnen offenbar sehr effektiv Sand in die Augen gestreut. Wie naiv sind Sie eigentlich?«
Quinn funkelte ihn verärgert an. »Nicht annähernd so inkompetent, wie Sie offenbar glauben. Das Manöver war mehr als durchsichtig. Sie wollte mich davon überzeugen, dass ihr Clan und das Heimatschutzministerium auf derselben Seite stehen. Zum Beweis dafür hat sie meine Schulter geheilt, obwohl die Ärzte Stein und Bein geschworen hatten, dass sie für immer steif bleiben wird. Hat irgendwas mit Akupunktur gemacht, nachdem sie mich betäubt hatte. Ich kann es bis heute nicht glauben. Jedenfalls, ohne Yukis Hilfe hätte ich aus dem Dienst als Field Agent ausscheiden müssen.« Er blickte High, Cotton und Decker bedeutsam an. »Das hat sie getan, obwohl ich ihr gesagt habe, dass ich sie weiter verfolge, wenn sie mich heilt.«
»Was hat sie darauf geantwortet?«, fragte Decker.
Quinn schüttelte den Kopf. »Sie hat gelächelt und gesagt, dass sie sehr enttäuscht gewesen wäre, hätte ich meinen Eid gegenüber den Vereinigten Staaten gebrochen. Dann ist sie verschwunden. Ich habe sie seitdem nicht wiedergesehen. Nur die Spuren ihres … Berufs. Und auch nur die, von denen sie will, dass wir sie finden.« Er schaute Cotton an. »Vielleicht hat sie mir tatsächlich Sand in die Augen gestreut, Agent Cotton. Aber es gibt nur einen logisch nachvollziehbaren Grund, warum sie mir das Leben gerettet und mich geheilt hat, obwohl ich keinen Hehl daraus gemacht habe, dass ich ihr Feind bin: Was Yuki mir über die wahren Ziele der Ninjas gesagt hat, ist die Wahrheit. Zumindest Yuki ist keine Auftragsmörderin im herkömmlichen Sinn.« Er seufzte. »Was nichts daran ändert, dass sie eine Verbrecherin ist, die mindestens drei Dutzend Leute auf dem Gewissen hat, und dass ich alles tun werde, um sie aus dem Verkehr zu ziehen.«
Cotton musste ihm widerwillig recht geben. Zumindest in dem Punkt, dass Yuki kein gewöhnlicher Killer war. Andernfalls wären er und Decker ebenfalls nicht mehr am Leben. Was die angeblichen Ziele der geheimen Ninja-Bruderschaft betraf, glaubte er keine Sekunde daran, solange er keine hieb- und stichfesten Beweise bekam. Allerdings bezweifelte er nicht, dass diese Bruderschaft existierte. Und Yuki war möglicherweise ein Schlüssel zu ihnen.
»Ich glaube Ihnen, Agent Quinn«, sagte High. »Wissen Ihre Vorgesetzten, dass Sie Yuki näher kennen?«
Quinn nickte. »Das ist der Grund, warum ich bei allen Fällen eingesetzt werde, die wir ihr zweifelsfrei zuschreiben können.« Er schüttelte den Kopf. »Seit sie bei mir war, werde ich auf Schritt und Tritt von meinen eigenen Leuten überwacht, weil mein Vorgesetzter davon ausgeht, dass Yuki irgendwann noch einmal Kontakt zu mir aufnehmen könnte. Ich habe keine Privatsphäre mehr. Jede Frau, die ich kennenlerne, wird akribisch durchleuchtet. Bei meinem letzten Date platzten die Kollegen mit gezogenen Waffen ins Schlafzimmer, weil es sich spontan ergeben hatte und ich im Eifer des Gefechts vergessen hatte, das zu melden.« Quinn verzog grimmig das Gesicht. »Glauben Sie mir, allein schon dafür will ich Yuki drankriegen. Ihretwegen habe ich ein verdammt einsames Leben.«
Cotton grinste, Decker schmunzelte. Nur Mr Highs Gesicht blieb ausdruckslos.
Zeerookah kam herein und reichte Mr High Quinns Smartphone. »Alles koscher, Sir. Der letzte Anruf kam von einem nicht registrierten Wegwerfhandy. Dessen Standort aufzuspüren dürfte selbst für mich schwierig sein.«
Mr High nickte ihm zu und schob Quinn das Smartphone hin, der es einsteckte.
»Was wollte Yuki von Ihnen?«, fragte der SAC.
»Sie will sich mit mir treffen, um mir die Kumo-Akten zu übergeben, die sie aus den Safes ihrer Opfer gestohlen hat.
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