Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
Tannenzweig ab und legte ihn auf die tote Bestie.
»Ellenweore!«, hörte sie den unterdrückten Schrei von Rose und drehte sich erschrocken um.
»Sie, sie ist tot!«, stammelte Rose. Sie kniete vor Madeleine und hielt deren Hand. Madeleines Kleid war nicht nur am Hals von den Blutspritzern des jungen Soldaten befleckt, sondern auch am Bauch von Blut durchtränkt.
»Aber wie kann sie das vor uns verborgen haben«, stammelte Ellen. »Ich habe nicht gesehen, dass sie …« Sie sackte in sich zusammen und weinte. »Warum hat sie denn nichts gesagt?«
»Es hätte ja doch nichts geändert.« Jean schien ganz gefasst. »Sie mag einfältig gewesen sein, sicher. Aber mit Todesgefahr hat sie lange genug gelebt. Bei so einer gewaltigen Wunde hätten wir ihr nicht helfen können. Ich schätze, sie hat gewusst, dass sie uns nur aufhalten und dadurch in Gefahr bringen würde.« Jeans Gesicht war noch immer verschwollen, die gerötete Haut unter seinen Augen nass vor Tränen.
»Und an allem bin nur ich schuld«, murmelte Ellen verzweifelt.
»Nein! Wenn ich dich damals nicht verraten hätte, wäre das alles nicht passiert!«, rief Rose.
»Jetzt hört schon auf. Wir müssen sie beerdigen. Wenigstens eine anständige Ruhestätte hat sie verdient, wo sie schon kein gutes Leben hatte«, forderte Jean.
Mühsam gruben sie ein flaches Loch, legten Madeleine hinein und deckten sie mit Erde und einer Reihe von Steinen zu, die sie in der Umgebung gesammelt hatten.
»Bitte, Herr, nimm dich ihrer an!«, betete Jean, der nicht wusste, wie er um die Unsterblichkeit ihrer Seele bitten sollte.
»Wir müssen weiter, sonst war all ihre Tapferkeit umsonst!« Ellen drängte nur ungern, aber sie war sicher, dass Thibault bereits ihre Verfolgung aufgenommen hatte.
3. BUCH
HEIMKEHR
Ärmelkanal, Ostern 1173
E ine sanfte Brise wehte über das Meer und trieb kleine Wolkenfetzen vor sich her wie ein Hirte seine Schafe. Unzählige Schiffe waren in den letzten Tagen in See gestochen, um das milde Wetter zu nutzen. Sie trieben wie Nussschalen mit bauchigen Segeln auf dem Wasser. Das Meer war ruhig und verhieß eine angenehme Überfahrt. Ellen saß nachdenklich an Deck. Tagelang waren sie nach Madeleines Tod noch vor Thibault geflohen, bis sie schließlich auf der Burg von l’Aigle einen sicheren Unterschlupf für den Winter gefunden hatten. Sie wussten, dass sie nicht mehr auf Turnieren arbeiten konnten, weil sonst die Gefahr bestand, Thibault in die Arme zu laufen.
Je länger Ellen über ihre Zukunft nachdachte, desto größer wurde ihr Heimweh. Sie sah zu Rose hinüber, die nicht weit von ihr entfernt saß. Ihr war anzusehen, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte. Sie war völlig mittellos geflohen und hatte in den vergangenen Monaten nichts sparen können, sodass ihr das Geld für die Überfahrt gefehlt hatte. Wäre das Pony nicht, kurz bevor sie l’Aigle verlassen hatten, an einer Kolik gestorben, hätte Ellen von dem Verkaufserlös die Überfahrt bezahlen können. So aber hatte sie sich schweren Herzens dazu durchringen müssen, Athanor in andere als Guillaumes Hände abzugeben, und das Schwert an einen Händler verkauft. Ellen lächelte Rose an, als diese herüberschaute. Sie war froh, dass Rose und Jean mit ihr nach England gingen. Bei dem Gedanken an die Heimat umspielte ein Lächeln Ellens Mund. In ihrer Erinnerung waren die Wiesen von Orford unbeschreiblich grün und voller Blumen,und bei dem Gedanken an Aelfgivas würzigen Ziegenkäse lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Ellen stützte sich auf und versuchte, eine angenehmere Sitzposition zu finden. In den vergangenen fünf Monaten hatte sie mächtig zugelegt. Sie war jetzt im neunten Monat schwanger, ihr Bauch war kugelrund, und ihre Beine waren so geschwollen, dass man die Fußknöchel nicht mehr sah. Ellen fühlte ein Ziehen im Rücken und sandte ein Stoßgebet zum Himmel, der Herr möge sie noch rechtzeitig das englische Festland erreichen lassen, bevor das Kind geboren wurde.
In der zweiten Nacht an Bord bekam sie starke Unterleibskrämpfe, und am Morgen hielt sie die Schmerzen nicht mehr aus. Hilfesuchend sah sie sich nach Jean um. Seine Decke lag zerwühlt neben ihr. Ellen griff nach dem Arm ihrer Freundin und rüttelte sie aus dem Schlaf. »Rose, das Kind!«
»Wie?« Rose geriet in Panik. »Oh Gott, was soll ich denn tun?«
»Hol Jean!« Ellen wusste, dass Rose ihr kaum helfen konnte. Thibault hatte sie gezwungen, noch zwei weitere Kinder wegmachen zu lassen. Erst bei
Weitere Kostenlose Bücher