Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
Catherine nahm den Säugling mit einer Hand im Nacken und kniff mit der anderen Ellens Brust zusammen, sodass die Brustwarze hervorquoll.
Wie ein Raubtier schnappte der kleine William nach der Brust, sobald sie seinen Mund berührte. Er saugte fest und gleichmäßig, aber Ellen kam es vor, als sei ihre Brust trocken wie ein versiegter Brunnen.
»Es dauert ein bisschen, bis die Milch kommt«, erklärte Catherine, als könne sie Gedanken lesen. »Lass ihn saugen, sooft er will, dann geht es bald von ganz allein.«
»Ich habe auch Hunger!«, sagte Ellen kleinlaut. Ihr Körper fühlte sich an wie zerschlagen, trotzdem war sie hellwach.
»Hier!« Rose reichte ihr eine Scheibe grobes Brot mit würzigem Schmalz und Salz.
»Danke!« Ellen verschlang das Brot mit wenigen Bissen. »Jetzt wissen wir nicht einmal, ob du Engländer oder Normanne bist«, flüsterte sie ihrem Kind zu.
Als William eingeschlafen war, übernahm der Kapitän des Schiffes die Nottaufe des Kindes, weil man nicht wissen konnte, ob der kleine Junge die nächsten Tage überstand.
»Schlaf du jetzt auch ein bisschen, Ellen, ich passe auf William auf!«, erbot sich Rose. »Du musst dich ausruhen; wenn wir in London angekommen sind, haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Wenn er Hunger hat, wecke ich dich.«
Ellen legte sich hin und war durch das Schaukeln des Schiffes schon bald in einen erholsamen Schlaf gefallen.
Von Catherine lernte Ellen, wie sie William wickeln musste. Dabei bemerkte sie, dass der linke Fuß des Kleinen anders aussah als der rechte. Er war krumm und nach innen verdreht.
»Ist bestimmt nicht so schlimm, sicher verwächst sich das«, beruhigte sie Catherine. »Die Beinchen von Säuglingen sind nach der Geburt auch zuerst krumm, und später haben die Kinder trotzdem gerade Beine. Wickel ihn nur immer schön eng, so wie es sich gehört! Und sieh nur, wie süß so kleine Füße sind!«, antwortete sie verzückt und streckte Ellen einen entgegen.
Unsicher hauchte Ellen einen Kuss darauf.
»Das solltest du aber nicht zu oft tun, sonst lernt er erst spät laufen!«, warnte Catherine und drohte lachend mit dem Zeigefinger.
»Dann werd ich’s nicht mehr tun, Ehrenwort!«, stammelte Ellen schuldbewusst und wickelte den Jungen wieder fest in das Tuch. Zum ersten Mal seit ihrer Flucht aus Orford hatte sie jemanden, der richtig zu ihr gehörte, jemanden, für den sie sorgen musste. Sie würde versuchen, alles richtig zu machen und William alles beizubringen, was fürs Leben wichtig war. Nur wie sie Osmond und Leofrun erklären sollte, dass sie einen Sohn, aber keinen Mann dazu hatte, wusste sie noch nicht. So viele Jahre waren vergangen seit ihrer Flucht damals, sicher hatte sie zumindest von Leofrun und Sir Miles nichts mehr zu befürchten.
Als William fertig gewickelt war, holte Rose ihn und trug ihn ein wenig herum. Jean wich nicht von ihrer Seite, und man hätte die beiden leicht für die Eltern des Kindes halten können.
Ellen dachte traurig an den toten Jocelyn und schließlich voller Wehmut an ihren geliebten Guillaume, den sie nun wohl nie mehr wiedersehen würde. Ob es ihr Schicksal war, niemals glücklich zu sein?
Als sie in der Mittagszeit im Hafen von London anlegten, waren die meisten Nichtseeleute ein wenig grün um die Nase. Der Wind hatte am Morgen plötzlich aufgefrischt und das Schiff während der Einfahrt in die Themse zum Schlingern und Torkeln gebracht.
Als Catherine erfuhr, dass die vier schon am selben Tag weiterreisenwollten, schlug sie ihnen vor, noch als ihre Gäste in London zu bleiben. »Edward, Nigel, kommt her!«, rief sie ihren beiden ältesten Söhnen dann zu. Die Jungen sprangen herbei und machten artig einen Diener vor ihrer Mutter. Liebevoll strich sie ihnen über die Köpfe. Edward, der Ältere, war ihr wie aus dem Gesicht geschnitten und hatte das gleiche volle, kastanienbraune Haar. Nigel musste nach seinem Vater geraten sein, denn sein Haar war feiner, glatter und schwarz wie die Federn eines Raben. »Euer Vater wird uns abholen; vergesst nicht, ihn anständig zu begrüßen!«, schärfte sie den Knaben ein.
Erst als das Schiff gut vertäut war und eine Holzrampe angelegt wurde, konnten die Reisenden von Bord gehen. Es war ein merkwürdiges Gefühl, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Leicht schwankend gingen sie die ersten Schritte an Land.
Ellen erkannte Nigels Vater auf Anhieb in der Menge. Er war groß, gut aussehend und sehr elegant gekleidet.
»Vater! Vater!«,
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