Das kupferne Zeichen - Fox, K: Kupferne Zeichen
den Mund und öffnete leise die Tür. Der Flur war dunkel. Vorsichtig ging sie hinaus und dann die Treppe hoch. Sie wollte gerade eine Tür öffnen, als plötzlich Alfreda mit einem Kienspan vor ihr stand und sie forschend ansah.
»Ich wollte mich nur kurz von Catherine verabschieden, wir wollen morgen schon früh aufbrechen«, erklärte Ellen stockend.
Alfreda öffnete die Tür, ohne einen Schlüssel zu benötigen.
Catherine lag in einem riesigen Bett in der Mitte des Raumes. Die Vorhänge waren nicht ganz zugezogen.
»Ich glaube nicht, dass sie schläft«, ermutigte Alfreda sie, näher zu treten.
»Catherine, ich wollte mich verabschieden, wir reisen morgen weiter!« Ellen sprach zaghaft, um die Hausherrin nicht zu wecken, falls sie doch schlief.
»Ellenweore?«
»Ja.«
»Es geht mir nicht gut, nehmt mir bitte nicht übel, dass ich den Abend nicht mit Euch verbracht habe!«
»Das tun wir nicht, wir sorgen uns nur. Erlaubt Ihr, dass ich mich ein wenig zu Euch setze?«
Catherine nickte stumm. Nichts an ihrem blassen, faden Gesicht erinnerte mehr an die vor Kraft und Glück strotzende junge Frau, die sie vor wenigen Tagen auf dem Schiff kennen gelernt hatte.
»Was ist nur mit Euch?«
»Ach Ellen, ich hasse dieses Haus, London, das Wetter hier, einfach alles!«
»Sperrt er Euch ein? Behandelt er Euch schlecht?« Ellen beugte sich besorgt zu ihr vor.
»Mein Mann?« Catherine richtete sich ein wenig auf und sah Ellen überrascht an. »Nein! Er würde alles für mich tun, aber ich bin einfach nicht glücklich in England. Ich fahre, sooft es geht, in die Normandie. Meine Eltern haben da ein großes Gut. Nur dort fühle ich mich wirklich wohl!«
Ellen hatte Mühe, ihr Unverständnis zu verbergen. Wie war es möglich, dass eine Frau, die so verwöhnt war vom Glück, die einen wohlhabenden, guten Mann und wundervolle Kinder hatte, so unglücklich war?
»Ich verdanke Euch so viel, Catherine!« Es klang wie eine Entschuldigung. Ellen nahm Catherines zarte Hand.
»Ich bin ein schlechter Mensch!« Catherine drehte den Kopf zur Seite, um Ellen nicht anschauen zu müssen.
»Wie kommt Ihr denn auf so einen Unsinn!«, schalt Ellen sie. »Ihr seid die Güte selbst!«
»Siehst du denn nicht, in welchem Überfluss ich lebe? Die Kinder, mein Mann, das Haus, meine Kleider – niemand könnte lieber, nichts könnte besser, schöner sein, aber ich bin immerzu traurig. Wenn ich nicht die frische Luft der Normandie atmenkann, ist meine Brust eng, und ich glaube, ersticken zu müssen. Ich kann den Gestank von London und das Elend in den Gassen nicht ertragen. Selbst wenn ich nicht aus dem Haus gehe, verfolgt mich die Stadt. Aber auch der Vorwurf in den Augen meines Mannes und meiner Kinder entgeht mir nicht. Sie alle finden, dass ich undankbar bin, eine schlechte Ehefrau und Mutter. Und sie haben Recht.« Catherine warf sich herum und schluchzte.
»Warum steht Ihr dann nicht auf und ändert das? Geht hinunter zu Eurem Gatten und leistet ihm Gesellschaft. Lacht mit Euren Kindern, und seid fröhlich, Ihr habt allen Grund dazu!« Ellen bemerkte, dass sie vorwurfsvoll klang. Aber sie konnte einfach nicht verstehen, warum Catherine so unglücklich war. Es gab so viele Menschen, die viel größere Qualen litten. Menschen, denen Krankheit, Hunger oder Gebrechen das Leben zu einer immer wiederkehrenden Herausforderung machten, der sie sich jeden Tag aufs Neue stellen mussten.
Catherine antwortete nicht.
»Ich werde für Euch beten«, sagte Ellen weich und strich ihr über den Kopf. Wer konnte schon wissen, wofür Gott sie mit diesen quälenden Zweifeln strafte?
Catherine starrte noch immer an die Wand.
Ellen erhob sich und verließ leise den Raum.
Als sie zurück in der Kammer neben dem Kontor war, drangen Jean und Rose darauf, dass sie ihnen alles ganz genau erzählte.
Jean schien ein wenig enttäuscht zu sein, dass der Weinhändler kein Schurke, sondern eher zu bedauern war, weil seine Frau der Schwermut anheimfiel, sobald sie sein Haus betrat, und Rose war so gerührt, dass sie ein wenig weinte.
Bevor sie am nächsten Morgen abreisten, verabschiedeten sie sich von ihrem Gastgeber.
»Ich habe gestern noch mit Catherine gesprochen. Ich weißjetzt, warum sie so unglücklich ist, auch wenn ich es nicht verstehe«, erklärte Ellen dem Weinhändler.
»Ich werde sie bald wieder in die Normandie begleiten – zusammen mit den Kindern. Ich liebe sie doch, und wenn wir dort sind, dann ist sie so, so …« Er schien keine Worte
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