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Das Labyrinth der Wörter

Titel: Das Labyrinth der Wörter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Sabine Roger
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satt.«
    »Die von Onkel Georges oder die von Großvater?«
    »Von beiden. Die nehmen sich nichts. Alles Dreckskerle.«
    Irgendwann war für mich ein für alle Mal klar: Eltern sind dazu da, so schnell wie möglich verlassen zu werden. Der Herr möge so viel Undank verzeihen, aber Er hatte ja eineHeilige als Mutter, deswegen kann Er das nicht so richtig beurteilen.
    Ich rede von ganz normal verrückten Leuten wie meiner Alten.
    In der Natur gibt es solche Probleme nicht. Wenn die Spatzen das Nest verlassen haben, kommen sie nicht mehr jedes Wochenende zum Mittagessen zurück – soweit ich weiß. Und die Spatzeneltern gehen ihnen nicht damit auf die Nerven, dass sie sagen: »Weißt du nicht, wie spät es ist? Wo hast du gesteckt? Tritt dir die Füße ab, bevor du reinkommst!« Die sind nämlich schlauer als wir, auch wenn es Tiere sind.
    Ich beschloss also, meine Mutter zu verlassen. Aber weil sie gesundheitlich nicht gut in Schuss zu sein schien, habe ich damit noch ein bisschen gewartet – hätte ja sein können, dass das Haus frei wird. Außerdem hatte ich doch meinen Gemüsegarten. Falls Sie das nicht aus eigener Erfahrung wissen: Ein Garten kettet einen stärker an als eine verdammte Nabelschnur, wenn ich mich so ausdrücken darf, obwohl die Familienbande ja eigentlich was Heiliges sind – der Herr möge das aus Seiner Schlussbilanz streichen.
    Dabei sagt Julien oft: »Du kannst machen, was du willst, Germain – deine Mutter ist deine Mutter. Man hat im Leben nur eine davon. Wenn sie mal nicht mehr ist, bist du der Erste, der heult, wirst schon sehen!«
    Mich würde das wundern.
    Wegen meiner Mutter heulen? Da müsste ich mich wirklich zwingen, dachte ich. Sie hat mich ja bloß ausgebrütet, und das auch nur, weil sie es nicht geschafft hat, mich rechtzeitig wegzumachen. Da blieb ihr ja nichts anderes übrig, als das Ei zu legen. Und dann sollte ich um sie weinen?
    Wo bliebe denn da die Gerechtigkeit?
    Heute weiß ich, dass man nicht immer alles erklären kann. Zum Beispiel Gefühle, die sind oft ganz irrational – siehe: unvernünftig, abwegig, willkürlich . Meine Mutter war wie ein spitzer Kieselstein in meinem Schuh. Eigentlich nicht schlimm, aber es reicht, um einem das Leben zu versauen.
    Also habe ich eines Morgens beschlossen, die Kurve zu kratzen. Was das Fass zum Überlaufen gebracht hat: Als ich mitbekam, wie sie allein in der Küche stand und mit den Ameisen schimpfte, weil sie über ihre Spüle liefen und angeblich Dreckspuren hinterließen.
    Da habe ich mir gesagt, dass das Maß ein für alle Mal voll und die Grenze überschritten war. Ich habe mir gedacht: Soll sie doch krepieren! Diesmal haue ich ab, es reicht.
    Es hat mich ganz plötzlich gepackt, so wie wenn man dringend pinkeln muss, und auch mit dem gleichen Ergebnis, nämlich einer großen Erleichterung, als die Sache erledigt war.
    Am Abend in der Kneipe habe ich es meinen Kumpels erzählt. Ich war sehr zufrieden mit mir. »Ich bin von zu Hause ausgezogen.«
    Landremont hat die Arme in die Luft geworfen: »Ich glaub es nicht! Ein Wunder! Du hast es also endlich geschafft?«
    »Tja.«
    »Und wo schläfst du jetzt?«
    »Im Wohnwagen.«
    Julien fragte: »Im Wohnwagen? Stimmt eigentlich, ist gar nicht so dumm. Ich hätte zwar nicht gedacht, dass der noch fährt, aber egal … Wo stellst du ihn hin? Auf den Campingplatz?«
    »Nirgendwo stelle ich ihn hin. Der bleibt da, wo er ist.«
    Jojo lachte, und Landremont fasste sich mit beiden Händen an die Stirn.
    Julien sagte: »Ach … Wenn ich dich richtig verstehe, bist du also von zu Hause ausgezogen, um dich am anderen Ende des Grundstücks niederzulassen, ja?«
    »Genau! Warum?«
    Julien schüttelte den Kopf.
    Marco meinte: »Da hat er sich ja ganz schön freigestrampelt, unser guter Germain …«
    Landremont lachte sich kaputt: »Freigestrampelt, genau, wie ein Wickelkind!«
    Alle lachten, und ich lachte mit. Das ist meine Art, mich aus der Affäre zu ziehen, wenn ich was nicht mitkriege. Aber ehrlich, an dem Abend habe ich lange darüber nachgedacht, während ich mir was zu essen machte. Ich kapierte nicht, was die so komisch fanden, diese Idioten. Wo war das Problem, wenn ich von zu Hause abhaute, um in dem Eriba Puck zu wohnen? Der Abstand, der ist doch im Kopf. Ans andere Ende vom Grundstück zu ziehen war sozusagen eine symbolische Tat. Das ist es, was ich ihnen erklärt hätte, wenn ich dieses Wort parat gehabt hätte. Genau das hätte ich ihnen gesagt.
    Der Wohnwagen, der war

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