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Das Labyrinth der Wörter

Titel: Das Labyrinth der Wörter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-Sabine Roger
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dass Sie nicht alles verstehen? In einem Gespräch, zum Beispiel?«
    Volltreffer, habe ich gedacht. Sie hat also endlich kapiert, dass ich ein armer Trottel bin. Das hat mich ziemlich runtergezogen.
    Sie hat hinzugefügt: »Was mich angeht, bekomme ich jedes Mal Lust, die Lösung zu finden, wenn mir das passiert. Ich habe das Syndrom des Unkrautjätens!«
    »Das was?«, habe ich gefragt (wegen dem ersten Wort, Unkrautjäten kenne ich).
    Sie hat gelacht. »Das Syndrom des Unkrautjätens: Sobald ich auf ein Problem stoße, versuche ich, es auszudünnen und zu vereinzeln.«
    Ausdünnen und vereinzeln kenne ich auch: Ich dünne zum Beispiel meine Radieschen aus und vereinzele sie.
    »So ist das bei mir: Ich habe immer das Bedürfnis, zu verstehen«, fuhr Margueritte fort. »Und das Gleiche mache ich mit Wörtern. Ich liebe Wörterbücher!«
    »Ich auch«, sagte ich, um ihr eine Freude zu machen,man ist schließlich kein Unmensch. Aber gestimmt hat es kein bisschen. Wenn es ein Buch gibt, das mich krank macht, dann das Wörterbuch.
    Sie bekam ganz große Augen: »Sie auch …?«
    Ich war froh, dass ich die richtige Antwort gefunden hatte und sie sich darüber so freute.
    »Ja, ja«, meinte ich ohne großen Nachdruck. Sie sollte nicht anfangen, mir Fangfragen zu stellen, um zu sehen, ob ich es zu Ende gelesen hatte.
    Aber sie nickte nur.
    Danach sind wir von Thema zu Thema gesprungen und schließlich bei den Tauben und den Tieren im Allgemeinen gelandet. Und am Ende holte ich eine kleine Katze aus meiner Tasche, die ich aus einem Stück Apfelbaumholz geschnitzt habe, das mir Marco gegeben hatte.
    »Oooh …!«, rief Margueritte. »Das ist aber hübsch! Wunderhübsch! So fein gearbeitet, so gut beobachtet!«
    »Ach, nicht der Rede wert …«
    »Doch, doch, Germain, ich versichere Ihnen, die Katze ist zauberhaft.«
    »Na, dann bitte! Nehmen Sie sie! Ich schenke sie Ihnen.«
    »O nein, das kann ich nicht annehmen!«, sagte sie und streckte gleichzeitig die Hand nach ihr aus. »Sie müssen Stunden dafür gebraucht haben …«
    »Ach was, das ging ruck, zuck.«
    Was auch wieder nicht stimmte, ich hatte an dieser Katze mindestens zwei Tage gearbeitet. Vor allem an den Ohren und den Pfoten, für den letzten Schliff. Ich sagte das nur, um es ihr leichter zu machen, und es funktionierte: Sie hat sich dann nicht mehr so geziert.
    Wenn man zu sehr zeigt, dass man an etwas hängt, dann hindert das die Leute manchmal daran, es anzunehmen.
    Die Art, wie man schenkt, ist mehr wert als das, was man schenkt: Das sagte meine Mutter immer, die nie irgendwas geschenkt hat.

 
    I ch weiß nicht, warum ich das mache. Die Schnitzerei, meine ich. Ich habe damit angefangen, als ich mein erstes Opinel-Taschenmesser hatte, so mit zwölf, dreizehn. Das hatte ich im Tabakladen entdeckt, in so einem Verkaufsständer mit Glastür. Ein verdammt schönes No. 8, Stahlklinge, Griff aus Buche. Mann, wie oft ich von dem geträumt habe, wenn ich jetzt so daran denke!
    Es ist ulkig, es gibt Sachen, die werden einem so wichtig wie Menschen. Ich habe das mit einem Teddybär erlebt, als ich klein war. Patoche hieß er. Er war furchtbar hässlich, mit einem angenähten Auge, und ganz abgeschabt. Aber er war mein Teddy. Ich hätte nicht ohne ihn schlafen können, das wäre so gewesen, wie wenn ein Bruder gestorben wäre.
    Manchmal sage ich mir, dass es für Annette vielleicht genauso ist. Ich muss so was wie ihr Teddybär sein, deshalb sieht sie mich mit den Augen des Herzens.
    Jedenfalls, was dieses Taschenmesser angeht, mit dem runden Griff und dem drehbaren Sicherheitsring, da gab es nur noch dieses eine. Ich wusste ganz genau, was ich mit ihm anfangen würde. Wenn es meins wäre, könnte ich es zum Angeln mitnehmen, zum Beispiel. Ein Messer ist beim Angeln sehr nützlich. Es kann dazu dienen, Schilf zu schneiden, beim Essen weniger blöd auszusehen, sich gegen eine Schlange zu wehren und Forellen auszunehmen. Nur hätte ich mein Sparschwein schlachten können, sooft ichwollte, es war sonnenklar, dass ich im Leben nicht genug zusammenbekommen würde, um es mir zu kaufen. Aber wie der Herr es verkündet hat, oder vielleicht auch einer seiner Apostel: Wohl dem, der die Gunst der Stunde nutzt!
    Deshalb habe ich das Messer eines Morgens, als ich für meine Mutter Zigaretten holte, aus seinem Ständer genommen. Ich habe die Gunst der Stunde genutzt, damit es nicht immer nur die Gleichen sind, die es gut haben.
    Diese Verkaufsständer, die lassen sich mir nichts,

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