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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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befreundet?«
    »Ich glaube, wir sind immer noch befreundet.« Tommy hielt ein Tonbandgerät hoch. »Jedenfalls wollte ich Näheres über den Entschluß Ihres Vaters erfahren, hinter den deutschen Linien zu bleiben und dort als Guerillero zu agieren.«
    »Kennen Sie Boris Benz?«
    Tommy lehnte sich zurück und sagte: »Wir sind uns mal begegnet.«
    »Wann?«
    »Kurz bevor Max nach Moskau ging. Natürlich wußte niemand, daß er gehen wollte. Er kam mit Benz.«
    »Seitdem haben Sie Benz nicht wiedergesehen?«
    »Nein. Es war schon das eine Mal reiner Zufall. Max und ich waren nicht verabredet gewesen.«
    »Sie haben Benz nur einmal gesehen, und doch erinnern Sie sich an ihn?«
    »Unter den Umständen ja.«
    »Wer war noch dabei?«
    Tommy wand sich. Sein Hemd lugte unter der Jacke vor.
    »Angestellte, Kunden. Niemand, den ich seitdem wiedergesehen habe. Vielleicht ist jetzt ja auch nicht die richtige Zeit für ein Interview.«
    »Genau die richtige Zeit. Wo sind Sie Benz und Max begegnet?«
    »Das war der Rote Platz.«
    »In Moskau?«
    »Nein.«
    »In München?«
    »Es ist ein Lokal.«
    »Das jetzt geöffnet hat?«
    »Sicher.«
    »Zeigen Sie es mir.« Arkadi zog sich ein Jackett an. »Ich erzähle Ihnen alles über den Krieg, und Sie erzählen mir, was Sie über Benz und Max wissen.«
    Tommy schluckte trocken. »Wenn Max noch bei Radio Liberty wäre, würden Sie von mir kein Wort …«
    »Haben Sie einen Wagen?«
    »So was Ähnliches«, sagte Tommy.
     
    Arkadi hatte nie zuvor in einem Trabant gesessen. Es war eine Glasfaserwanne mit Haifischflossen. Die beiden Zylinder keuchten asthmatisch, und dichte Rauchwolken stiegen aus dem Auspuffrohr auf. Sie fuhren mit heruntergekurbelten Vorderscheiben, die hinteren Fenster ließen sich nicht öffnen. Jedesmal, wenn ein Mercedes oder Audi sie überholte, begann der Trabant, in ihrem Luftsog zu schlingern.
    »Wie finden Sie ihn?« fragte Tommy.
    »Es ist, als ob man sich mit einem Rollstuhl auf die Straße traut«, sagte Arkadi.
    »Es ist mehr eine Investition als ein Auto«, sagte Tommy. »Der Trabi ist ein Stück Geschichte. Abgesehen davon, daß er langsam und gefährlich ist und die Luft verpestet, ist er wahrscheinlich das am besten funktionierende technische Aggregat, das es heute gibt. Er macht achtzig Kilometer die Stunde und läuft auch mit Methangas oder Steinkohlenteer - vermutlich sogar mit Haarwasser.«
    »Klingt eher russisch.«
    Der Trabant ließ Arkadis Schiguli daneben wie ein Luxusauto erscheinen.
    »In zehn Jahren ist das ein Sammlerstück«, prophezeite Tommy selbstsicher.
    Sie hatten den Stadtrand erreicht, eine schwarze Ebene, in der Lichterketten auf verschiedene Autobahnen führten. Als Arkadi sich umdrehte, um zu sehen, ob ihnen jemand folgte, brach der Sitz fast unter ihm zusammen.
    »Das ganze deutsch-russische Verhältnis ist so unglaublich«, sagte Tommy. »Ich meine, vom historischen Standpunkt aus gesehen. Mit den Deutschen, die immer nach Osten drängten, und den Russen, die den Blick nach Westen gerichtet hatten. Und dann die Rassengesetze der Nazis, nach denen alle Slawen Untermenschen waren. Hitler auf der einen Seite, Stalin auf der anderen. Das war ein Krieg!«
    Sein Gesicht glühte. Tommy muß ein einsamer Mann sein, dachte Arkadi. Warum sonst würde er sich spät am Abend mit einem russischen Chefinspektor ins Auto setzen und durch die Gegend fahren? Ein Tanklastwagen kam ihnen entgegen und donnerte an ihnen vorbei. Der Trabi schlingerte heftig in der Druckwelle, und Tommy strahlte vor Vergnügen.
    »Ich kannte Max am besten, bevor ich für das Rote Archiv arbeitete, als ich noch bei der Programmaufsicht war. Ich habe selbst keine Programme gemacht, sondern hatte einen Mitarbeiterstab, der, was gesendet wurde, auf seinen Inhalt überprüfte. Radio Liberty hat bestimmte Richtlinien. Unsere überzeugtesten Antikommunisten beispielsweise sind Monarchisten. Natürlich sind wir gehalten, die Demokratie zu fördern, aber manchmal schleicht sich ein kleiner Antisemitismus, manchmal ein bißchen Zionismus ein. Es ist eine Sache des Ausgleichs. Wir übersetzen auch Programme, damit der Präsident unseres Senders weiß, was wir in den Äther schicken. Jedenfalls war mein Leben leichter, weil Max Leiter der russischen Abteilung war. Er verstand die Amerikaner.«
    »Warum ist er zurück nach Moskau gegangen?«
    »Ich weiß es nicht. Wir alle waren erstaunt. Offensichtlich hatte er vorher bereits Verbindung mit den Sowjets aufgenommen, und sie haben

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