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Das Labyrinth

Das Labyrinth

Titel: Das Labyrinth Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz Smith
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Tür befand er sich erneut auf dem beigefarbenen Flur von Radio Liberty. Die Mitteilungen am schwarzen Brett waren ausgetauscht worden - ein Zeichen gutgeführter Organisation. Auf Hochglanzfotos war Gilmartin zu sehen, wie er ungarische Rundfunkleute durch den Sender führte und einer Volkstanzgruppe aus Minsk applaudierte. Techniker mit Tonbändern eilten über den Korridor, Ludmillas grauer Haarschopf tauchte in einer Tür auf und verschwand wieder.
    »Sind Sie hier, um eine Bombe in Gilmartins Büro zu plazieren? Auf was habe ich mich da eingelassen?«
    »Wo ist das Rote Archiv?«
    »Die Treppe ist zwischen dem Getränkeautomaten und dem Imbißstand. Also los, machen Sie schon.«
    Als Tommy damit geprahlt hatte, daß das Rote Archiv die größte Dokumentation sowjetischen Lebens außerhalb Moskaus sei, hatte Arkadi sich die Lampen und staubigen Bücherreihen der Lenin-Bibliothek vorgestellt. Wie immer, war er nicht auf die Wirklichkeit vorbereitet. Es gab keine Lampen im Roten Archiv, nur das aquariumhafte Licht einer durch den ganzen Raum führenden Reihe von Neonleuchten. Auch keine Bücher, nur Mikrofilmkarteien und motorisierte, auf Schienen laufende Stahlschränke. Statt eines Leseraums gab es ein Gerät, das die Mikrofilme vergrößerte und lesbar machte. Arkadi ließ seine Hand über eine der Karteien gleiten. Als wären das alte Rußland, Zar Peter und Katharina die Große samt der Erstürmung des Winterpalais auf Stecknadelkopfgröße reduziert worden. Arkadi war erleichtert, als er so etwas Primitives wie einen Holzkasten mit Karteikarten in kyrillischen Buchstaben sah.
    Ausnahmslos alle der an den Tischen sitzenden Angestellten waren Amerikaner. Eine Frau mit schleifenbesetzter Bluse war entzückt, einen Russen zu sehen.
    »Wo stand Tommys Schreibtisch?« fragte Arkadi.
    »In der Prawda-Sektion.« Sie seufzte und wies auf eine Tür.
    »Wir vermissen ihn.«
    »Natürlich.«
    »Es sind einfach zu viele Informationen, die dieser Tage reinkommen«, sagte sie. »Früher überhaupt nichts und jetzt diese Menge. Ich wünschte, es wäre etwas weniger.«
    »Ich verstehe, was Sie meinen.«
    Die »Prawda-Sektion« war ein kleines Zimmer, das durch die Regale mit gebundenen Prawda- und Iswestija-Ausgaben auf beiden Seiten noch kleiner wirkte. An der Schmalseite des Raumes nahm ein Videorecorder die Bilder eines Farbfernsehers auf. Der Sender mußte über eine Satellitenantenne verfügen, denn obwohl der Ton abgeschaltet war, erkannte Arkadi, daß es eine sowjetische Nachrichtensendung war. Auf dem Bildschirm stemmte sich eine Gruppe Menschen in abgetragener Kleidung gegen einen Lastwagen. Als er umfiel, rannten sie um ihn herum zum rückwärtigen Ende. Dann zeigte eine Nahaufnahme den Fahrer mit blutiger Nase. Ein Kameraschwenk, und der Name einer Kooperative wurde sichtbar, die Talg herstellte. Die Leute kletterten, beladen mit Knochen und schwarzen Fleischstücken, aus dem Wagen. Arkadi wurde sich bewußt, wie sehr sich seine Koordinaten durch die wenigen Tage mit reichlichem deutschen Essen und Bier bereits verändert hatten. Ist es so schlimm, fragte er sich. Ist es wirklich so schlimm?
    Hinter dem Gerät stand Tommys Schreibtisch, bedeckt mit Zeitungen, Kaffeeringen und Maschinengewehrpatronen, die als Briefbeschwerer dienten. In der mittleren Schublade lagen Filzstifte, ein Locher, Briefblöcke und Büroklammern. In den Schubladen an der Seite ein russisch-deutsches und deutschrussisches Wörterbuch, Cowboyhefte, gebundene Bücher über Militärgeschichte, Manuskripte und Absagebriefe. Es gab nicht einmal einen Anschluß für ein Faxgerät.
    Arkadi kehrte in den größeren Raum zurück und fragte die Frau mit den Karteikarten: »Hatte Tommy ein Faxgerät, als er noch in der Programmauswertung arbeitete?«
    »Möglicherweise. Aber die ist in einem anderen Teil der Stadt. Sicher, dort hätte er eins haben können.«
    »Wie lange war er hier?«
    »Ein Jahr. Ich wünschte, wir hätten ein Faxgerät, aber so was gibt es nur für leitende Angestellte. Eins ihrer Privilegien«, sagte sie, als spräche sie von einer Auszeichnung. »Das hier ist die Dokumentationsabteilung. Wir sammeln Informationsmaterial. Alles über die Sowjetunion. Suchen Sie etwas Spezielles?«
    »Max Albow.«
    Sie atmete tief ein und spielte mit der Schleife an ihrem Kragen. »Nun, da brauche ich nicht lange zu suchen. Okay.« Sie schickte sich an zu gehen, dann blieb sie stehen. »Ihr Name?«
    »Renko.«
    »Sie besuchen

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