Das Lachen und der Tod (German Edition)
Kommandanten. Da stand er in seinem langen Mantel. Ich hielt mir die Hand über die Augen.
»So, Hoffmann. Ich glaube, die Lage hat sich etwas geändert.«
»Ich tue alles, was Sie wollen. Alles.«
»Sie wollen also vor uns auftreten?«
»Ja, ja! Retten Sie sie, und ich tue alles für Sie, Herr Obersturmbannführer.«
»Ich möchte, dass Sie mir Ihr Wort geben, Herr Hoffmann. Als Deutscher.«
»Ich gebe Ihnen mein Wort.«
»Als Deutscher. «
»Ich gebe Ihnen mein Wort, ich schwöre es bei meinem Vater.«
24
Ich drängte mich mit Helena zum Ausgang vor. Einige Frauen hielten mich fest, gruben ihre Nägel in meine Haut und flehten mich an, sie mitzunehmen. Helena zuckte zusammen. Einige kreischten und versuchten, mir den Weg abzuschneiden, aber sie wurden von SS -Leuten mit Knüppeln und bloßen Fäusten in den Bunker zurückgeprügelt. Drei Mann hielten die Tür zu, bis ein vierter den Riegel vorlegte. Ich führte Helena vom Bunker weg. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie der Kommandant mit einer resoluten Geste das Los der Frauen besiegelte.
Im Auskleideraum setzten wir uns auf eine Bank.
»Wasser!«, rief ich. »Sie muss etwas trinken.«
Emil kam mit kaltem Tee und einem Stück Brot. Helena schlürfte und trank wie eine scheue Straßenkatze. Anschließend griff sie nach dem Brot und begann, es hinunterzuwürgen. Ich musste ihre Gier bremsen, damit sie ihren Magen nicht überforderte. Mit erstaunlicher Kraft versuchte sie, weiterzuessen. Es tat mir in der Seele weh, sie so zu sehen.
Ich brachte sie in den Waschraum. Mit einem Strahl Wasser versuchte ich, ihr Gesicht zu säubern. Sie ließ es über sich ergehen, mit offenem Mund und geschlossenen Augen. Hektisch leckte sie die Tropfen in ihren Mundwinkeln auf. In der Türöffnung stand der Kommandant.
»Das hätte ich mir denken können, Herr Hoffmann«, sagte er freundlich. »Jeder hat eine Achillesferse. Dass es in Ihrem Fall die Liebe ist, wundert mich nicht. Und dann noch zu einer Jüdin! Sie haben denselben Geschmack wie Ihr Vater.«
Ich durfte Helena tragen. So schnell wie möglich wollte ich sie von diesem gottverlassenen Ort fortbringen. Sie war stark geschwächt und brauchte dringend ärztliche Hilfe. Draußen schien die Sonne. Ein paar Vögel flogen auf. Der Kommandant gab seinen Untergebenen Anweisungen, stieg in seinen Offizierswagen und fuhr uns voraus. Ich durfte mich mit Helena in einen »Krankenwagen« setzen. Hinter uns lagen keine Gasdosen. Diesmal hatte das Rote Kreuz auf der Plane tatsächlich eine Bedeutung.
Wir fuhren auf das »Steindorf« zu, wie ich es nannte. Helena hatte sich an mich geklammert. Auf ihrer Kopfhaut wimmelte es nur so von Läusen. Ich spürte, wie sie auf mich übersprangen, aber schlimm fand ich das nicht. Ich gab ihr ein weiteres Stück Brot und konnte gerade noch rechtzeitig die Finger zurückziehen.
Das Krankenrevier für Frauen sah genauso aus wie das Männerhospital. Ich trug Helena hinein. SS -Leute waren gegen Fleckfieber geimpft, trotzdem wollte man die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich halten. Ein SS -Arzt in einem weißen Kittel salutierte vor dem Kommandanten und lief vor mir durch einen Gang, wo auf einem wackligen Beistelltisch ein paar halb vewelkte Pflanzen vor sich hinvegetierten.
Helena musste entlaust und gewaschen werden. Ich durfte das Bad nicht betreten, doch die Tür blieb offen. Zwei resolute Krankenschwestern stützen sie vor einem Waschbecken. Als Erstes wurde sie mit einem Haarschneider kahl rasiert. Weinend sah sie mich an. Ich lächelte ihr aufmunternd zu. Sie wurde eingeseift, gewaschen, geschrubbt und abgetrocknet. Im Nebenraum musste sie duschen. Da stand sie einsam und kahlköpfig unter einem dampfenden Wasserstrahl und hielt die Hände vor ihre Scham.
Inzwischen war sie schon wieder etwas mehr bei sich. Ich wickelte ein Handtuch um sie und stützte sie beim Gehen. Wohin würde man sie bringen? Doch nicht in den großen Saal? Dort waren ihre Überlebenschancen minimal. Während der Kommandant in einem Büro blieb, stieg ich mit Helena und dem Arzt in den Keller hinab.
Der SS -Arzt blieb am Ende des Flurs stehen. Über der rechten Tür stand Totenkammer . Genau wie bei den Män nern. Der Arzt öffnete die Tür gegenüber und betätigte den Lichtschalter. Eine nackte Glühbirne erhellte einen Raum von ungefähr zwei mal drei Metern. In einer Ecke standen zwei Besen und ein Zinkeimer mit einem nassen Lappen darin. In Wandregalen sah ich Schwämme, Putztücher, Seifendosen
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