Das Laecheln der Chimaere
ist aber nicht möglich. Dienst ist Dienst.« Kolossow entnahm der mitgebrachten Akte ein Blatt Papier. »Hier, bitte, machen Sie sich mit den Ergebnissen des Gutachtens über Ihre Dienstpistole vertraut. Ihre ehemalige Dienstpistole.«
Peskow nahm das Blatt und wich gleichzeitig einen Schritt zurück, um den Weg freizugeben. Sie traten ein. Peskows Frau – klein, rundlich, mardergesichtig – schlug die Pforte sofort wieder hinter ihnen zu.
»Was ist los, Mischa?«, fragte sie kläglich. »Was für eine Pistole?«
»Geh ins Haus, Oksana«, befahl ihr Peskow. »Und nimm den Hund mit. Man wird ja taub von dem Gekläff.«
Er las das Gutachten draußen vorm Haus durch, bei minus zwanzig Grad. Langsam und sorgfältig.
»Na und?«, fragte er dann.
»Sie waren doch bei der Armee, Sie können schreiben und lesen. Ich denke, das Gutachten ist unmissverständlich.« Nikita merkte, gleich würde er ausfallend werden, wenn Peskow sie nicht auf der Stelle ins Haus und ins Warme bitten würde. »Aus Ihrer Pistole wurde ein Schuss abgegeben. Ich wüsste doch gern, worauf, in welcher Situation und wann Sie geschossen haben?«
»Kommen Sie mit, ich zeig’s Ihnen.« Peskow öffnete die Pforte. Wieder nichts mit dem warmen Ofen, dachte Nikita niedergeschlagen.
Peskow führte sie über einen schmalen, in den Schnee getrampelten Pfad zum Wald, der gleich hinter dem Ort begann und sich bis zur Eisenbahnlinie erstreckte. Dort stiegen sie in eine Schlucht hinunter und versanken sofort bis zum Hals in Schnee. Doch da tauchte ein vom Schnee geräumter, sorgfältig festgestampfter Platz vor ihnen auf. Etwa dreißig Meter davon entfernt ragte aus einer Schneewehe ein Pfosten aus Birkenholz, an den eine Sperrholzplatte genagelt war.
»Hier, sehen Sie«, sagte Peskow und zeigte auf den Holzpfosten.
Kolossow schaute genauer hin: Die Platte war voller kleiner Löcher, wie eine von Käfern zerfressene Borke.
»Eine Zielscheibe?«, erkundigte sich Bindjushny und blies auf seine halb erfrorenen Finger.
»Genau. Jeden freien Tag trainiere ich hier, um nicht aus der Übung zu kommen.«
»Gehen wir zurück ins Warme«, flehte Nikita.
Diesmal hatte Peskow Erbarmen. Er führte sie zurück, aber nicht ins Haus, sondern in eine schmale kleine Baubude, die in einer Ecke seines Grundstücks stand. Im Innern war es zwar sehr beengt, aber dafür knisterte ein schmiedeeisernes Öfchen. Eine Werkbank stand hier, an den Wänden hing Werkzeug, es roch nach Hobelspänen und Leim.
»Die Zielscheibe beweist gar nichts«, erklärte Kolossow, sobald er sich am Ofen ein wenig aufgewärmt hatte. »Sie hätten am selben Tag vorher trainieren und dann abends in die Toilette gehen und Teterin erschießen können.«
Peskow schüttelte den Kopf: Was für eine Idee!
»Meinen Sie das ernst?«
»So ernst wie nur möglich. Wie soll ich Sie sonst dazu bringen auszusagen?«, fragte Kolossow streitlustig. »Beim letzten Mal hätten Sie vermutlich auch nichts gesagt, wenn Saljutow es Ihnen nicht befohlen hätte.«
»Ja, und den Dank dafür habe ich erhalten. Meinen Lohn und mein Arbeitsbuch hat man mir vor die Füße geworfen. Und jetzt werde ich zu allem Überfluss auch noch des Mordes beschuldigt.«
»Ich beschuldige Sie nicht. Ich gebe Ihnen nur zu verstehen, in welche Richtung die Angelegenheit sich entwickeln kann, nachdem ein für Sie so ungünstiges Gutachten erstellt wurde. Obwohl . . .«
»Obwohl was?«, fragte Peskow finster.
»Obwohl weder ich noch die Staatsanwaltschaft Sie für den Hauptverdächtigen halten, sondern im Gegenteil für unseren wichtigsten Zeugen. Noch dazu für einen gewissenhaften und ehrlichen.«
»Ich hab mir schon genug die Zunge verbrannt, danke.«
»Verstehen Sie, ich will Ihnen mit diesem Gutachten ja keine Angst einjagen.« Kolossow seufzte. »Ich muss nur ein paar Dinge genauer klären. Da ist erstens Ihre Pistole. Wann genau haben Sie mit ihr geschossen?«
»Am ersten Januar haben wir nicht gearbeitet, am zweiten hatte ich ebenfalls frei. An beiden Tagen war ich in der Schlucht und habe auf die Zielscheibe gefeuert. Zu Ehren des neuen Jahrhunderts sozusagen.«
»Woher haben Sie die Patronen?«, fragte Bindjushny, der bisher geschwiegen hatte.
»Die stammen noch aus meiner Zeit bei der Armee.« Peskow grinste. »Na, jetzt ist wohl auch noch eine Hausdurchsuchung fällig.«
»Vorläufig geht es ohne«, antwortete Nikita. »Schreiben die Kasino-Regeln nicht vor, die Waffe nach Schichtende abzugeben?«
»Im › Roten
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