Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Laecheln der Chimaere

Das Laecheln der Chimaere

Titel: Das Laecheln der Chimaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Stepanowa
Vom Netzwerk:
stattlich, etwa fünfunddreißig Jahre, bekleidet mit einem modischen schwarzen Kaschmirmantel, den er aus irgendeinem Grund hier in seinem eigenen Zimmer nicht ausgezogen hatte.
    Über den Mantel war malerisch ein orangefarbener Schal geschlungen. Das Gesicht des Mannes war zu einer Fratze von Zorn, Hass und Verständnislosigkeit verzerrt.
    »Sie empfangen Ihre Gäste ja wirklich sehr herzlich«, sagte Kolossow und ließ dabei den zum Schlag erhobenen Arm des Unbekannten nicht los.
    »Wer . . . wer sind Sie denn?«, fragte der Mann heiser.
    Sie standen auf der Schwelle eines geräumigen Zimmers, das halb einem unordentlichen Schlafzimmer, halb einer Diele oder einem Abstellraum ähnelte. Auf einem breiten Klappsofa am Fenster lag ungemachtes, zerknautschtes Bettzeug. Über den einzigen Sessel waren nachlässig ein kostbarer Nerzmantel, ein kurzes schwarzes Abendkleid und ein Spitzenhöschen geworfen. Vor dem Sofa standen Wildlederpumps, ein Aschenbecher aus Metall, neben dem eine zerdrückte Zigarettenschachtel lag, und ein leeres Weinglas. An der Wand erhob sich eine wacklige Pyramide aus aufeinander gestapelten, vollgestopften Sporttaschen, darauf, wieder unachtsam zusammengeknüllt, eine Männersteppjacke und ein weißer Wollpullover. Mitten im Zimmer stand ein kleiner Tisch auf Rollen, darauf lagen eine leere Whiskyflasche, ein zerkrümeltes Brötchen und eine Damenhandtasche aus Leder samt ausgekipptem Inhalt: Kosmetiktäschchen, Schlüssel, ein winziges Handy, eine elegante Armbanduhr. Neben dem Rolltisch stand eine Frau, groß, gertenschlank, barfuß, spärlich bekleidet (hellblauer langer Pulli, nackte Beine), jung (sehr jung sogar), mit wirrem, auf die Schultern hängendem blonden Haar. Die Frau kam Nikita ebenfalls bekannt vor, vermutlich hatte er sie auf demselben Videoband aus dem Kasino gesehen.
    »Ich möchte Vitas sprechen«, sagte Kolossow, warf einen Seitenblick auf die halbnackte Schöne und hielt den Arm des Unbekannten noch immer fest. »Mir scheint, das sind Sie. Ich bin Major Kolossow, Mordkommission. Es geht um den Mordfall im › Roten Mohn ‹ .«
    Vitas riss sich los (Kolossow hatte seinen Griff einen Augenblick gelockert), trat zurück und verschnaufte. Offenbar suchte er nach passenden Worten, fand aber vorläufig keine.
    »Sie haben mich wohl für jemand anderen gehalten«, stellte Nikita ungerührt fest. »Macht nichts, das kann Vorkommen.«
    »Entsch-schuldigung.« Vitas warf einen gehetzten Blick auf das blondhaarige Mädchen, das sie erschrocken anstarrte. »Gut, gut. . . Ich werde antworten. Auf alle Ihre Fragen. Nur . . . nicht hier. Gehen wir nach unten auf die Straße.«
    Sie traten in den Flur hinaus. Die Eisentür fiel sofort hinter ihnen ins Schloss.
    Vitas sperrte die Wohnungstür mit einem eigenen Schlüssel ab und führte Kolossow auf die Treppe. Sie stiegen hinunter. Nikita überlegte, wie er das Gespräch beginnen könnte. Es fiel ihm nichts Originelleres ein als . . .
    »Haben Sie irgendwelche Papiere bei sich?«
    »Meine Papiere sind alle im Auto«, antwortete Vitas.
    Im Hof stand ein neuer VW Golf. Vitas schaltete die Alarmanlage aus und holte aus dem Wageninneren eine Brieftasche: »Bitte.«
    Kolossow vertiefte sich in die Papiere. Der Führerschein war auf den Namen Vitas Taurage ausgestellt. Außerdem gab es noch einen litauischen Pass mit einem eingetragenen und bereits verlängerten Halbjahresvisum und eine Anmeldebescheinigung.
    »Kommen Sie, wir setzen uns in meinen Wagen. Es ist kalt, und wir müssen ein wichtiges Gespräch führen«, sagte Kolossow. »Ich möchte Ihnen einige Fragen zu den Ereignissen des fünften Januar im Spielkasino › Roter Mohn ‹ stellen.«
    Sie setzten sich in seinen Shiguli, und Kolossow schaltete die Heizung ein.
    »Tja, nach einem so freundlichen Empfang weiß ich gar nicht recht, wie ich beginnen soll . . . Apropos, in Ihrer Anmeldebescheinigung ist eine andere Adresse angegeben: Boshenko-Straße 13. Das ist in Kunzewo, oder?«
    »Ja, dort habe ich eine Wohnung gemietet«, antwortete Vitas. »Übrigens sind meine Papiere schon im Kasino überprüft worden, auch meine Adresse wurde notiert. Und meine Telefonnummer.«
    »Ja, ja natürlich . . . Wirklich eine dumme Zwickmühle, in der Sie da stecken . . .«
    »Zwick . . . was? Ach so, ich verstehe.« Vitas lächelte blass. »Ich spreche Russisch ganz ordentlich, aber manchmal muss man mich verbessern. Aber was meinen Sie damit eigentlich? Ich verstehe Sie nicht.«
    »Das ist jetzt

Weitere Kostenlose Bücher