Das Laecheln der Chimaere
Wen haben Sie gesehen, wer war die ganze Zeit da und hat sich nicht entfernt?«
Saljutow überlegte einen Moment.
»Alle Croupiers waren da, zwei Kellner, ein Wachmann der Dienst habenden Schicht und . . . der Pit-Boss des Spielsaals war auch noch da, Frau Basmanjuk.«
»Herrn Kitajew haben Sie im Saal nicht gesehen?«
Saljutow blickte Kitajew an. Der fletschte nur finster die Zähne: Also wirklich, was denn noch!
»Ich habe an der Tür gestanden, Shanna hat mich gesehen, wenn Sie Zeugen brauchen«, sagte er zu Kolossow. »Ich hielt Ausschau nach Vitas, den ich herbestellt hatte, der aber nicht erschienen war.«
»Er war nicht gekommen, weil jemand ihn oben im Kaminzimmer zurückgehalten hat«, antwortete Kolossow. »Wie standen er und Gasarow zueinander?«
»Denkbar schlecht«, antwortete Kitajew rasch. »Sie hassten einander bis aufs Blut, der Grund war Vitas’ Schwester Egle.«
»Wieso, lebt sie etwa mit Gasarow zusammen?«, wunderte sich Kolossow naiv.
Kitajew warf Saljutow einen raschen Blick zu und nickte dann.
»Der könnte leicht so ein Maulwurf sein«, sagte er giftig. »Um seine Spielschulden zurückzukriegen, tut er alles. Gut möglich, dass er sich Chwantschkara aus freien Stücken angeboten hat. Und außerdem . . . Teufel, warum habe ich daran nicht schon eher gedacht!« Kitajew schlug sich mit der Hand vor die Stirn. »Er ist ja ein Landsmann von Milowadse – sie stammen beide aus dem Kaukasus. Vitas hat gedroht, Gasarow umzubringen, wenn er ihn noch ein einziges Mal bei seiner Schwester antrifft. Vermutlich hätte auch Gasarow die Hand nicht gezittert, wenn sich eine Gelegenheit zur Rache geboten hätte, zur Abrechnung . . .«
»Welch bequemer Verdächtiger. Der kommt ja wie gern-fen.« Kolossow blickte Saljutow an. »Sind Sie derselben Meinung, Waleri Wiktorowitsch?«
Aber Saljutow kam nicht mehr dazu zu antworten. Ohne anzuklopfen, stürmten die Männer des Einsatzkommandos, angeführt von Untersuchungsführer Sokolnikow, ins Büro.
19
Katja und Kolossow trafen sich wieder in der Mittagspause. Sie stieß mit ihm zusammen, als er gerade die Treppe hinunterhastete, in seine Lederjacke und einen dicken, warmen Wollschal eingemummt.
»Guten Tag, Nikita«, grüßte Katja.
»Hallo«, brummte er, lief ein paar Stufen weiter und blieb dann plötzlich stehen, drehte sich um.
»Entschuldige, ich war in Gedanken.« Er lockerte den fest um den Hals geschlungenen Schal ein wenig. »Gehst du essen?«
»Nein, heute nicht. Es schneit zu heftig.«
»Hör mal.« Kolossow sah etwas verwirrt aus. »Ich wollte mich wegen einer Sache mit dir beraten.«
»Was für eine Sache?« Katja spitzte sofort die Ohren.
»Kann man von der Haarfarbe auf den Charakter einer Frau schließen?«
»Was?«, fragte Katja verblüfft.
»Also, wir haben eine Blondine und wir haben eine Brünette. Kann man das als Ausgangspunkt nehmen, um etwas über ihren Charakter und ihre Neigungen zu sagen?«
»Nur nach dem äußeren Schein?«
»Ja. In groben Zügen natürlich.«
Katja klimperte mit den Augen wie eine Puppe: Höchst interessant. Der Chef der Mordkommission hat vor lauter nicht identifizierten Leichen und landesweit gesuchten Serienkillern offenbar ein wenig den Durchblick verloren.
»Wahrscheinlich schon, obwohl du ja selber weißt, wie trügerisch das Außere eines Menschen sein kann«, sagte sie. »Wozu brauchst du das überhaupt?«
»Wozu?« Er blickte sie immer noch so rätselhaft an. »Weißt du was, Katja. Ich bin gerade sehr in Eile, aber gegen fünf komme ich zurück. Bist du dann noch da?«
»Ja, natürlich.«
»Dann komme ich zu dir. Um fünf. Also abgemacht«, Kolossow lief weiter, »ich muss unbedingt mit dir reden.«
»Über Blondinen und Brünette?«, fragte Katja laut und biss sich sofort auf die Zunge. Gerade kam langsam und würdevoll ein beleibter, höchst ehrbar aussehender General in Uniform die Treppe herauf. Wie ein Eichhörnchen huschte Katja in ihre Etage und lief eilig, mit geschäftigem Gesichtsausdruck, über den Korridor zurück in ihr Büro. Aber innerlich platzte sie fast vor Neugier. Was war geschehen? Was hatte Nikita im Sinn?
Kolossow fuhr inzwischen zum Milizrevier von Skarabejewka. Dort saß der von Sokolnikow für drei Tage in Untersuchungshaft genommene Georgi Gasarow. Man hatte ihn in dieselbe Zelle einquartiert, in der zuvor Maiski gesessen hatte. Maiski war am Vorabend entlassen worden, nachdem er sich schriftlich verpflichtet hatte, die Stadt vorläufig nicht zu
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