Das Laecheln der Fortuna - Director s Cut
auf dich verlassen. Vermutlich kann ich das auch. Auf deine Treue. Deine Ehrlichkeit. Ganz sicher nicht auf deine Verschwiegenheit. Du bist ein Dummkopf, Raymond.“
Raymond schluckte, aber er hielt den Kopf möglichst hoch. „Ja, Mylord. Ein Dummkopf, ein Tölpel, oft genug ein Taugenichts. All das bin ich. Aber ich habe keinem Menschen gesagt, was in Calais passiert ist. Ich schwöre es.“
„Schwöre lieber nicht.“
„Aber es ist die Wahrheit.“
„Das kann nicht sein. Der geheimnisvolle Fremde kann es schließlich nicht erraten haben. Und außer dir wussten nur dein Vater, mein Vater und Mortimer davon. Willst du vielleicht behaupten, Mortimer sei es gewesen?“
Raymond blinzelte kurz. Wie war es nur möglich, dass Lord Henry ihm plötzlich solche Abscheulichkeiten zutraute, wo er ihn bis letzte Woche noch für würdig befunden hatte, seine Söhne zu betreuen?
„Wer kann schon wissen, wie viele auf Mowbrays Seite von der Sache wussten, Mylord?“
„Niemand, dessen bin ich sicher. Sein dunkelstes Geheimnis hütet ein jeder sorgsam. Du suchst nur nach Ausflüchten.“
Raymond antwortete nicht. Er wusste nicht, wie er ihn überzeugen sollte. Er hätte jeden Eid geschworen, den Lord Henry verlangen mochte, bei der Ehre des Hauses Waringham, beim Schwert des heiligen Georg, bei der Seele seiner toten Mutter, zu der er manchmal betete, als sei sie eine Heilige. In seiner Vorstellung war sie eine Heilige. Nur, es würde alles nichts nützen.
Henry seufzte leise. „Es ist keine solche Katastrophe. Es hat wenigstens Bewegung in die Sache gebracht. Ich bin mit dem Ergebnis durchaus zufrieden. Mowbray würde ich noch mit verbundenen Augen und gefesselten Händen besiegen, die Entscheidung des Königs ist ein Glücksfall. Trotzdem. Du hast mich bitter enttäuscht. Um deines Vaters willen will ich dich in meinem Dienst behalten, doch …“
„Verzeiht mir, Mylord, aber ich will keine Begünstigungen um meines Vaters willen. Ich bin ich.“
Henry runzelte ärgerlich die Stirn. „Derzeit solltest du lieber jede Begünstigung annehmen, die du kriegen kannst.“
Raymond biss die Zähne zusammen und sagte nichts.
Henry studierte einen Moment sein Gesicht und nickte dann. „Also gut. Die Wahrheit ist, ich will dich gar nicht fortschicken. Aber ich kann nicht so tun, als sei nichts geschehen. Bis auf weiteres wirst du in der Waffenkammer und in den Stallungen Dienst tun. Mortimer wird sich vorläufig allein um Harry und seine Brüder kümmern. Geh zu deinem Bruder, er wird dich für die Arbeit einteilen.“
Raymond verneigte sich, wandte sich ab und ging langsam zur Tür. Er hatte Mühe, die Hand zu heben und auf den Riegel zu legen. Seine Arme kamen ihm bleischwer vor.
Fortan nahm er seine Mahlzeiten in der großen Küche oder mit den Stallburschen ein. Er zeigte sich nicht in der Halle, und er ritt auf keine Jagd. Er beteiligte sich an Sportveranstaltungen so wenig wie an Wettkämpfen und verbrachte die Abende allein in irgendeinem stillen Winkel des Burghofes, bei Regen in seinem Quartier. So dauerte es mehrere Tage, bis Harry ihn endlich ausfindig machte. Er traf ihn in dem kleinen Hof hinter der Waffenkammer. Es war inzwischen Mai geworden, das Gras war lang und hellgrün, und seit drei Tagen war es trocken. Raymond kniete vor einer kleinen Sandgrube, neben ihm lag ein unförmiger Hügel aus Kettenhemden. Eines hielt er in den Händen und wälzte es im Sand, damit die Ringe wieder sauber und glänzend wurden. Es war harte Arbeit, die Kreuz und Arme lahm machte, bei allen Knappen verhasst. Raymond widmete sich ihr mit Hingabe, fast wütend, so schien es, und der Sand knirschte leise.
Harry trat verwundert näher. „Raymond …“
Raymond sah erschrocken auf, lächelte den Jungen an und beugte den Kopf dann wieder über die Arbeit.
„Raymond, was ist denn nur passiert?“
Er schüttelte den Kopf.
„Ich weiß, dass Vater wütend auf dich ist, auch, wenn mir niemand verrät, was du verbrochen hast. Ich kann nicht glauben, dass es so schlimm war, dass du verdient hättest, von allem ausgeschlossen zu werden. Aber ich kann doch nichts dafür. Warum hältst du dich von mir fern?“
Raymond sah wieder auf, machte eine hilflose Geste und zwinkerte ihm zu.
Harry runzelte die Stirn. „Wenn du mir nicht böse bist, warum sprichst du dann nicht mit mir?“
„Er kann nicht, Harry“, sagte eine Stimme hinter ihm.
Harry wandte sich um und sah Edward auf sich zukommen.
„Was heißt, er kann nicht? Ist
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