Das Lächeln der toten Augen
sich wirklich sicher, dass Sie das Schließfach öffnen dürfen?«, fragte der Bankangestellte erneut.
»Wenn ich es Ihnen doch sage. Trauen Sie nicht einmal der Polizei?«
Zwei Minuten später standen Monika, der Untersetzte und die blonde Frau im Keller der Bank vor einer Reihe chromblitzender Fächer. Mit unsicheren Bewegungen steckte der Mann den Schlüssel in das Fach 478 und öffnete. Er zog eine lange Schatulle hervor und legte sie auf den Metalltisch an der gegenüberliegenden Wand.
»Wir müssen aber hierbleiben. Wissen Sie, mir ist so etwas noch nie passiert«, sagte der Mann und öffnete die Schatulle.
Monika Sander trat an den Tisch und warf einen Blick hinein. Mehrere große Kuverts befanden sich darin. Sie entnahm das erste und leerte den Inhalt auf den Tisch. Aktien kamen zum Vorschein. Das zweite Kuvert enthielt Pfandbriefe und einen Sparvertrag.
»Schauen Sie bitte, was das Ganze hier wert ist«, bat Monika, als sie das dritte Kuvert öffnete. Sie zog drei Din-A4-Seiten hervor. Handgeschrieben, mit blauer Tinte. Monika überflog die ersten Zeilen. Es waren ohne Zweifel die letzten Worte von Sven Halbermann. Monika las den Brief zu Ende. Tommy Wolff hatte die Wahrheit erzählt. Der Brief enthielt die klare Anschuldigung, dass Simon Halbermann für den Tod von Maria Souza da Marques verantwortlich war.
»13 357 Euro«, sagte der Mann, der einen Taschenrechner in seiner Hand hielt.
»Wie bitte?«
»Die Aktien und die Anleihen haben einen Wert von 13 357 Euro. Sie wollten es doch wissen.«
Monika nickte. Erneut griff sie in das Kuvert. Ein goldener Anhänger mit feingliedriger Kette kam zum Vorschein, ein gezackter Halbmond. Monika kannte diese Art Schmuck. Es gab ein entsprechendes Gegenstück, das oft vom Partner oder der Partnerin getragen wurde, um die Zusammengehörigkeit zu symbolisieren. Doch noch etwas fesselte ihren Blick. Es war ein blasses Polaroidfoto aus einer Sofortbildkamera. Es zeigte das Gesicht eines Mädchens, das ausgestreckt auf dem Boden lag. Monika war sich sicher, dass dieses Mädchen Maria Souza da Marques sein musste, denn dieses Mädchen trug die Kette, die vor ihr lag. Eingehend studierte Monika das Bild. Das Mädchen schien mit offenen Augen zu schlafen. Nicht aufgerissen, wie im Todeskampf, nicht starr und schmerzverzerrt. Eher friedlich, glücklich, lächelnd. Waren es die Augen einer Toten?
*
Monikas Anruf erreichte Trevisan gegen halb vier. Er rief umgehend Oberstaatsanwalt Brenner wieder an. Doch der würde erst in einer Stunde in sein Büro zurückkehren. Trevisan wies die Frau an, Brenner auszurichten, dass er noch auf ihn warten solle. Dann rief er Monika zurück. Unterdessen wollte er die Zeit nutzen und zu Hause vorbeifahren, um sich endlich seine Armbanduhr zu holen.
Als er in die Cäcilienstraße einbog, kam ihm ein langsam fahrender Wagen entgegen. Er blickte gedankenverloren die Straße hinab, bis seine unbewusste Wahrnehmung wie ein Blitz in sein Bewusstsein schlug. Ein schwarzer Golf, ein junger Mann am Steuer.
»Diese elende Göre«, fluchte er und wandte sich um, doch der dunkle Wagen war bereits abgebogen.
Trevisan stoppte seinen Dienstwagen in der Hofeinfahrt seines Reihenhauses. Entrüstet stieg er aus und stürmte zur Haustür. Was sollte er tun, was sollte er sagen? Hatte sich seine Tochter wieder mit dem Kerl getroffen? Trotz seines Verbotes? War der Kerl am Ende sogar in seinem Haus gewesen?
Er schloss die Tür auf und trat ungestüm ein. Leise Musik dudelte aus dem Radio in der Küche. Paula war nicht da. Zwei Gläser standen auf der Anrichte.
»Paula!« Er erhielt keine Antwort. »Paula!«, brüllte er.
»Was ist denn?«, kam müde eine Antwort aus dem Bad.
»Mach die Tür auf, wir haben zu reden!«, befahl Trevisan.
Er hörte das Knacken des Schlosses und baute sich vor der Badezimmertür auf. Die Arme hatte er in die Hüften gestemmt. Paula öffnete. Sie trug ein knappes schwarzes Top und einen engen schwarzen Tanga. Der Anblick machte Trevisan nur noch wütender.
»Du bist wohl verrückt geworden. Du bist fünfzehn. Ich habe dir gesagt, dass ich den Kerl nicht mehr in deiner Nähe sehen will. Was habt ihr getrieben? Wie tief lässt du dich herab? Er ist doch nur an deinem Körper interessiert. Das macht ihn geil. Sobald er genug von dir hat, ist er verschwunden.« Trevisans Stimme überschlug sich.
Paulas Gesicht wurde rot. »Sag mal, spinnst du? Was denkst du eigentlich von mir?«, erwiderte sie laut. »Ich lass mir nicht
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